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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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gestern gesagt, daß Sie Kräuter brauchen?«
    »Ja, um Arzneien für die Leute zu bereiten, die sich den Magen verdorben haben. Na und?« fragte ich mißtrauisch.
    Dougal zuckte gutmütig die Achseln. »Ich reite jetzt zum Dorfschmied und nehme drei Pferde zum Beschlagen mit. Die Frau des Prokurators ist eine Art Kräuterweib und hat genug Vorräte zur Hand. Bestimmt hat sie die Heilpflanzen, die Sie suchen. Sie dürfen mich gern begleiten.«
    »Die Frau des Prokurators? Mrs. Duncan?« Ich war sofort glücklicher. Die Aussicht, der Burg zu entrinnen, und sei es auch nur für kurze Zeit, war unwiderstehlich.
    Ich wischte mir hastig das Gesicht ab und steckte das beschmutzte Taschentuch in den Gürtel.
    »Gehen wir«, sagte ich.

     
    Obwohl der Tag dunkel und der Himmel bedeckt war, genoß ich den kurzen Ritt ins Dorf - es hieß Cranesmuir. Dougal war bester Laune und plauderte und scherzte unterwegs leutselig.
    Zunächst machten wir beim Schmied halt, wo Dougal die drei Pferde abgab. Für den Rest des Weges saß ich hinter ihm auf. Das Haus der Duncans war ein beeindruckender, fast hochherrschaftlicher Fachwerkbau mit vier Stockwerken. Die beiden unteren Geschosse hatten elegante Bleiglasfenster mit rautenförmigen Glasscheiben in wäßrigen Purpur- und Grüntönen.
    Geillis begrüßte uns entzückt. »Wie herrlich!« rief sie. »Ich habe schon nach einer Ausrede gesucht, um in den Vorratsraum gehen und einiges heraussuchen zu können. Anne!«
    Eine kleine Aufwärterin mit einem Gesicht wie ein Winterapfel trat aus der Tür, die ich nicht bemerkt hatte, weil sie vom Kamin verdeckt wurde.
    »Bring Mistress Claire in den Vorratsraum«, befahl Geillis, »und hol uns dann einen Eimer Wasser. Von der Quelle, wohlgemerkt, nicht vom Brunnen auf dem Platz!« Sie wandte sich Dougal zu. »Ich habe das Tonikum bereitet, das ich Ihrem Bruder versprochen habe. Würden Sie bitte einen Augenblick mit mir in die Küche kommen?«
    Ich folgte dem kürbisförmigen Hinterteil der Aufwärterin über eine schmale Holztreppe nach oben. Unvermutet gelangten wir in einen langen, luftigen Dachboden. Im Gegensatz zum Rest des Hauses hatte dieser Raum Flügelfenster, die wegen der Feuchtigkeit draußen zwar geschlossen waren, aber immer noch sehr viel mehr Licht hereinließen als die Scheiben in der schummrigen Wohnstube.
    Geillis verstand sich offensichtlich auf ihr Geschäft als Kräutersammlerin. Der Raum verfügte über große, mit Gaze bespannte Trockengestelle; über dem kleinen Kamin befanden sich Haken zum Dörren und an den Wänden offene Regale, in die Löcher gebohrt waren, damit die Luft besser zirkulieren konnte. Es duftete nach Basilikum, Rosmarin und Lavendel. Ein überraschend moderner Tresen stand an einer der Wände, auf dem ein bemerkenswertes Sortiment von Mörsern, Stößeln, Mischgefäßen und Löffeln lag, alles makellos sauber.
    Es dauerte eine Weile, bis Geillis erschien, ganz erhitzt vom Treppensteigen und voller Vorfreude auf einen Nachmittag mit Kräutern und Klatsch.

    Es begann zu nieseln; die Tropfen liefen über die langen Fensterscheiben, aber im Kamin brannte ein Feuer, und es war sehr gemütlich. Ich genoß Geillis’ Gesellschaft sehr; sie war ein erfrischender Gegensatz zu den lieben, schüchternen Mädchen von der Burg und für eine Frau vom Land sehr gebildet.
    Außerdem wußte sie Bescheid über jeden Skandal, der sich in den vergangenen zehn Jahren im Dorf oder auf der Burg ereignet hatte, und sie erzählte mir viele amüsante Geschichten. Seltsamerweise stellte sie wenig Fragen zu meiner Person. Ich nahm an, daß das nicht ihre Art war; vielleicht würde sie das, was sie über mich wissen wollte, über andere Leute herausfinden.
    Seit einer Weile hatte ich von draußen Geräusche gehört, sie jedoch Dörflern zugeschrieben, die von der Messe kamen; die Kirche lag am Ende der Straße beim Brunnen, und die High Street führte von dort zum Dorfplatz, wo sie sich in Gassen und Wege auffächerte.
    Auf dem Ritt zur Schmiede hatte ich mich damit amüsiert, mir das Dorf aus der Vogelschau vorzustellen, das von oben wie der Unterarm und die Hand eines Skeletts aussehen würde. Die High Street mit ihren Läden und Werkstätten und den Wohnhäusern der wohlhabenden Leute war die Speiche. Die St. Margarth’s Lane, eine schmalere Straße, die parallel zur High Street verlief und in der die Schmiede, die Gerberei und die weniger vornehmen Werkstätten und Geschäfte lagen, war die Elle. Der Dorfplatz entsprach

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