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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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auf, zwei Drinks einzugießen.
    Einen Fingerbreit für sich, zwei für mich. »Eigentlich nur einen Mann«, sagte er. »Er stand draußen auf der Straße.«
    »Was, vor dem Haus?« Ich lachte. »Dann muß es ein Gespenst
gewesen sein; ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Mensch aus Fleisch und Blut an einem solchen Abend draußen herumsteht.«
    Frank wollte sich Wasser aus dem Waschkrug einschenken und betrachtete mich vorwurfsvoll, als er sah, daß er leer war.
    »Schau mich nicht so an«, sagte ich. »Du hast das ganze Wasser verbraucht. Ich nehme den Whisky aber auch pur.« Um dies zu beweisen, trank ich einen kleinen Schluck.
    Frank blickte drein, als wäre er versucht, auf die Toilette zu flitzen und Wasser zu holen, nahm jedoch Abstand davon und fuhr mit seiner Geschichte fort, wobei er so vorsichtig an seinem Glas nippte, als enthielte es nicht feinsten Glenfiddich, sondern Vitriol.
    »Ja, er war unten am Gartenzaun. Ich dachte mir …« Frank zögerte und schaute in sein Glas, »ich dachte mir, daß er zu deinem Fenster hinaufstarrt.«
    »Zu meinem Fenster? Wie eigenartig!« Ich konnte mich eines leichten Schauderns nicht erwehren und trat ans Fenster, um die Läden zu schließen, obwohl es ein bißchen spät dafür schien. Frank folgte mir, immer noch redend, durchs Zimmer.
    »Ja, ich habe dich auch von unten gesehen. Du hast dir die Haare gebürstet und ein wenig geflucht, weil sie zu Berge standen.«
    »Dann hat der Bursche wohl herzlich gelacht«, vermutete ich. Frank schüttelte den Kopf und strich mir über die Haare.
    »Nein, er hat nicht gelacht. Er machte einen furchtbar unglükklichen Eindruck. Nicht, daß ich sein Gesicht gesehen hätte, es lag an der Art, wie er dastand. Ich trat hinter ihn, und da er sich nicht rührte, fragte ich höflich, ob ich ihm irgendwie helfen könnte. Zuerst dachte ich, er hätte mich nicht gehört, der Wind heulte so laut. Also wiederholte ich meine Frage und streckte meine Hand aus, um ihm auf die Schulter zu klopfen, ihn auf mich aufmerksam zu machen. Aber bevor ich ihn berühren konnte, wirbelte er plötzlich herum, schob sich an mir vorbei und ging davon, die Straße hinunter.«
    »Das war zwar unhöflich, aber nicht sehr gespenstisch«, bemerkte ich und leerte mein Glas. »Wie sah er aus?«
    Frank runzelte die Stirn. »Groß und kräftig«, sagte er, »ein Schotte in Hochlandtracht, alles komplett bis zur Felltasche und einer wunderschönen Brosche am Plaid. Ich wollte ihn fragen, woher er sie hat, aber da war er schon fort.« Ich ging zur Kommode und goß mir noch einen Drink ein. »Das ist doch nicht ganz ungewöhnlich
hier, oder? Ich habe dann und wann Männer im Dorf gesehen, die so gekleidet waren.«
    »Sicher…« Frank hörte sich unschlüssig an. »Das Seltsame war nicht seine Aufmachung. Nur, als er sich an mir vorbeischob - ich hätte schwören können, er war nahe genug, daß ich hätte spüren müssen, wie er meinen Ärmel streifte, aber ich habe nichts gespürt. Und ich war so fasziniert, daß ich mich umdrehte und beobachtete, wie er fortging. Er lief die Gereside Road hinunter, und als er fast bei der Ecke war … verschwand er einfach. Und da begann mich ein wenig zu frösteln.«
    »Vielleicht warst du einen Moment abgelenkt, und er ist in den Schatten getreten«, sagte ich. »An der Ecke gibt es viele Bäume.«
    »Ich könnte schwören, daß ich meinen Blick keine Sekunde von ihm abgewandt hatte«, murmelte Frank. Plötzlich sah er auf. »Jetzt weiß ich’s wieder! Ich erinnere mich, warum ich ihn so seltsam fand, obwohl mir das in dem Moment gar nicht bewußt wurde.«
    »Ja?« Ich war des Gespenstes schon ein bißchen müde und wollte zu interessanteren Dingen übergehen, dem Bett zum Beispiel.
    »Der Wind wehte mordsmäßig, aber seine Gewänder bewegten sich nicht im mindesten.«
    Wir starrten uns an. »Das«, sagte ich schließlich, »ist nicht ganz geheuer.«
    Frank lächelte plötzlich und tat es achselzuckend ab. »Wenigstens habe ich jetzt dem Pfarrer etwas zu erzählen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe. Vielleicht handelt es sich um ein bekanntes Ortsgespenst, und er kann mir alles über seine grausige Geschichte sagen.« Frank warf einen Blick auf seine Uhr. »Aber jetzt ist es Zeit, ins Bett zu gehen, würde ich sagen.«
    »Allerdings«, murmelte ich.
    Ich beobachtete im Spiegel, wie Frank sein Hemd auszog und seine Hand nach einem Kleiderbügel ausstreckte. Plötzlich hielt er inne.
    »Hast du viele Schotten gepflegt, Claire?«

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