Feuer Und Stein
äh, gesittete Zustände als heute«, schloß er nostalgisch.
»Ach ja?« sagte ich höflich. »Und Colum hat Sie gewissermaßen geerbt?«
»In etwa«, bestätigte der Advokat. »Es gab ein wenig Verwirrung, als Jacob starb. Gewiß, Colum war der Erbe von Leoch, aber er …« Mr. Gowan legte eine Pause ein, blickte vor und hinter sich, um sicherzugehen, daß ihn niemand hören konnte. Zum Glück war der Bewaffnete vorangeritten und plauderte jetzt mit einem Kameraden, und der Fuhrmann war gut vier Pferdelängen hinter uns.
»Colum war gesund bis zu seinem achtzehnten Jahr«, berichtete
Mr. Gowan weiter, »und er versprach, ein treffliches Clan-Oberhaupt zu werden. Er nahm Letitia zur Frau, als Teil eines Bündnisses mit den Camerons - ich habe den Ehevertrag ausgearbeitet«, fügte der Advokat, gleichsam als Fußnote, hinzu, »aber kurz nach der Vermählung stürzte er garstig während eines Überfalls. Brach sich das Bein, und es verheilte schlecht.«
Ich nickte.
»Und dann«, fuhr Mr. Gowan seufzend fort, »erhob er sich zu früh vom Krankenlager und fiel die Treppe hinunter, wobei er sich das andere Bein brach. Er lag fast ein Jahr zu Bett, doch es war bald klar, daß der Schaden von Dauer sein würde. Und da starb Jacob. Unseligerweise.«
Der Advokat verstummte, um seine Gedanken zu ordnen. Er blickte erneut zur Spitze der Kolonne, als suchte er jemanden.
»Das war ungefähr zu der Zeit, wo es auch viel Verdruß wegen der Hochzeit von Colums Schwester gab«, sagte Mr. Gowan. »Und Dougal … nun, Dougal machte keine gute Figur bei dieser Affäre. Sonst wäre er vielleicht Clan-Oberhaupt geworden, aber man gelangte zu dem Schluß, dafür fehle es ihm noch an Urteilsvermögen.« Der Advokat schüttelte den Kopf. »Es gab einen großen Aufruhr deswegen. Cousins und Onkel und sonstige Verwandte sowie eine Versammlung waren nötig, um die Angelegenheit zu regeln.«
»Aber letzten Endes wurde Colum gewählt, nicht wahr?« fragte ich und staunte wieder über die starke Persönlichkeit dieses Mannes. Und während ich ein Auge auf den verdorrten kleinen Rechtsgelehrten warf, der an meiner Seite ritt, dachte ich mir, Colum habe auch Glück bei der Auswahl seiner Bundesgenossen gehabt.
»Ja«, antwortete Mr. Gowan, »aber nur, weil die Brüder zusammenhielten. An Colums Mut und Verstand gab es gewiß keinen Zweifel - nur an seinen körperlichen Fähigkeiten. Es lag auf der Hand, daß er seine Leute nie mehr in den Kampf würde führen können. Doch da war Dougal, kerngesund, wenn auch ein bißchen leichtsinnig und unbeherrscht. Und er stand hinter seinem Bruder und gelobte, ihm zu gehorchen und ihn im Felde zu vertreten. Und so wurde der Vorschlag gemacht, daß Colum Burgherr und Clan-Oberhaupt werden sollte, wie es ohnehin der Fall gewesen wäre, Dougal dagegen Kriegsherr und Führer des Clans in Zeiten des Kampfes. Es hatte da schon Präzedenzfälle gegeben«, fügte der Advokat spröde hinzu.
An der Bescheidenheit, mit der er »Und so wurde der Vorschlag gemacht« sagte, erkannte ich, von wem der Vorschlag stammte.
»Und wessen Mann sind Sie?« fragte ich. »Colums oder Dougals?«
»Mein Interesse gilt dem MacKenzie-Clan insgesamt«, antwortete Mr. Gowan umsichtig. »Doch formal habe ich Colum meinen Treueid geschworen.«
»Er findet gewiß, daß Sie ihm eine große Hilfe sind«, sagte ich diplomatisch.
»Oh, in geringfügigen Angelegenheiten tue ich wirklich von Zeit zu Zeit etwas für ihn«, erwiderte Mr. Gowan. »Wie für andere auch. Sollten Sie je eines Rates bedürfen«, fuhr er wohlwollend fort, »so wenden Sie sich getrost an mich. Auf meine Verschwiegenheit ist Verlaß, das kann ich Ihnen versichern.« Er verbeugte sich drollig im Sattel.
Ich hob die Brauen und fragte: »Im selben Maße wie auf Ihre Treue zu Colum MacKenzie?« Der Advokat sah mich mit seinen kleinen braunen Augen an, und ich bemerkte sowohl die Schlauheit als auch den Humor, die in ihren Tiefen schlummerte.
»Nun«, sagte er gelassen, »ein Versuch würde es wohl erweisen.«
»Vermutlich«, erwiderte ich, eher amüsiert als verärgert. »Aber ich kann Ihnen versichern, Mr. Gowan, daß ich keinen Bedarf an Ihrer Verschwiegenheit habe, zumindest gegenwärtig nicht.« Ich dachte: Es ist ansteckend. Ich höre mich schon genauso an wie er.
»Ich bin eine englische Dame, nichts weiter«, fügte ich mit großer Entschiedenheit hinzu. »Colum verschwendet seine - und Ihre - Zeit, wenn er versucht, mir Geheimnisse zu entlocken, die es
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