Feuer Und Stein
Kompromiß zwischen den Mühsalen der Reise und dem Status des Rechtsgelehrten schloß. Eine Goldrandbrille, ein schmuckes Haarband und ein blauer Filzhut rundeten das Bild ab. Er sah ganz und gar so aus, wie man sich einen Advokaten vorstellt.
Ned Gowan ritt neben mir auf einer Stute, an deren Sattel zwei ungeheure Taschen aus abgewetztem Leder hingen. Die eine enthielt sein Handwerkszeug: Tintenfaß, Gänsekiele und Papier.
»Und wofür ist die andere?« fragte ich. Während die erste Satteltasche prall war, schien die zweite fast leer.
Der Advokat klopfte gegen das schlaffe Leder. »Die ist für den Pachtzins, der dem Burgherrn zusteht«, antwortete er.
»Dann muß er eine Menge Geld erwarten«, sagte ich. Mr. Gowan zuckte freundlich die Achseln.
»Nicht gar so viel. Aber das meiste wird in Pennys und anderer kleiner Münze entrichtet. Und die nehmen leider mehr Platz ein als größere Währungseinheiten.« Er lächelte dünn. »Gleichwohl lassen sich Kupfer und Silber leichter befördern als der Großteil der Einkünfte des Burgherrn.«
Mr. Gowan wandte sich um und deutete auf die beiden großen, von Mauleseln gezogenen Fuhrwerke, die die Gruppe begleiteten.
»Getreidesäcke und Rübenhaufen haben immerhin den Vorteil, daß sie sich nicht rühren. Auch gegen Geflügel ist nichts einzuwenden, wenn es sich in Käfigen befindet. Ebensowenig gegen Ziegen, obwohl sie aufgrund ihrer Gewohnheit, sich von gemischter Kost zu ernähren, lästig fallen können; eine hat voriges Jahr wahrhaftig ein Schnupftuch von mir verzehrt, wobei ich allerdings zugeben muß, daß der Fehler auf meiner Seite lag, ließ ich den Stoff doch unbedacht aus meiner Rocktasche lugen.« Mr. Gowans Lippen wurden noch dünner. »Freilich habe ich dieses Jahr unmißverständlich Weisung gegeben, daß wir keine lebenden Schweine annehmen werden.«
Die Notwendigkeit, Mr. Gowans Satteltaschen und die beiden Fuhrwerke zu schützen, erklärte wohl die Gegenwart der zwanzig bewaffneten Männer, die den Rest der Gruppe bildeten. Eine Reihe von Lasttieren schleppten den Proviant für die ganze Gesellschaft. Mrs. FitzGibbons hatte mir mitgeteilt, daß wir keine oder nur primitive Quartiere finden würden; mithin müßten wir so manche Nacht unter freiem Himmel lagern.
Ich wollte erfahren, was einen Mann von Mr. Gowans Bildung dazu bewogen hatte, einen Posten im schottischen Hochland anzutreten, fern von den Annehmlichkeiten des städtischen Lebens, die er doch gewohnt sein mußte.
»Nun«, sagte er, »als junger Mensch hatte ich eine kleine Kanzlei in Edinburgh. Aber ich war es bald leid, Testamente aufzusetzen und Auflassungsurkunden abzufassen und auf der Straße Tag für Tag dieselben Gesichter zu sehen. Und so bin ich denn gegangen.«
Er hatte ein Pferd gekauft und sich auf den Weg gemacht, obwohl er nicht genau wußte, wohin er wollte und was er anfangen sollte.
»Ich muß gestehen«, fuhr er fort, während er sich die Nase mit einem Taschentuch betupfte, in das seine Initialen eingestickt waren, »daß ich immer schon eine Neigung… je nun, zum Abenteuer hatte. Doch befähigten mich weder meine Statur noch meine Herkunft zum Leben eines Straßenräubers oder Seemanns, was die abenteuerlichsten Berufe waren, die ich mir damals vorstellen konnte. Dann gelangte ich zum dem Schluß, daß ich die besten Möglichkeiten im Hochland hätte. Ich dachte mir, zu gegebener Zeit könnte ich vielleicht ein Clan-Oberhaupt zu der Erlaubnis bewegen, ihm auf irgendeine Weise zu dienen.«
Und im Laufe seiner Reisen war der Advokat tatsächlich einem solchen Clan-Oberhaupt begegnet.
»Jacob McKenzie«, sagte er und lächelte bei der Erinnerung. »War ein rechter Halunke und Heißsporn mit roten Haaren.« Mr. Gowan deutete mit dem Kopf zur Spitze der Kolonne, wo Jamie MacTavishs Schopf im Nebel leuchtete. »Sein Enkel ist ihm sehr ähnlich. Nun, Jacob und ich, wir sind einander zunächst mit vorgehaltener Pistole begegnet - will heißen, er raubte mich aus. Ich gab mein Pferd und meine Satteltaschen bereitwillig her, blieb mir doch keine andere Wahl. Aber er war, glaube ich, ein wenig erstaunt, als ich darauf bestand, ihn zu begleiten, nötigenfalls auch zu Fuß.«
»Jacob McKenzie. Das ist Colums und Dougals Vater?« fragte ich.
Der Advokat nickte. »Ja. Freilich war er damals noch nicht Burgherr. Das wurde er erst einige Jahre später… mit einem kleinen bißchen Hilfe meinerseits«, fügte Mr. Gowan bescheiden hinzu. »Es herrschten damals weniger…
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