Feuer Und Stein
quälte er sich noch tagelang in entsetzlichen Schmerzen.
Was Dougal ihm zugedacht hatte, war wohl ein angenehmerer Tod: unter freiem Himmel, und sein Blut netzte die Blätter, die schon vom Blut des Tieres getränkt waren, das ihn so schwer verwundet hatte. Ich kroch zu Geordie und hielt ihm den Kopf.
»Gleich ist es besser«, sagte ich mit fester Stimme, wie ich es gelernt hatte. »Der Schmerz wird bald nachlassen.«
»Aye. Es … ist schon besser. Ich spüre meine Beine nicht mehr… die Hände auch nicht… Dougal … bist du noch da? Bist du bei mir?« Der Mann tastete mit den Händen in der Luft herum. Dougal nahm sie fest in seine und beugte sich über den Verletzten und flüsterte ihm ins Ohr.
Geordie bäumte sich auf, und seine Fersen gruben sich tief in den schlammigen Boden; sein Leib wehrte sich gegen das, was sein Verstand bereits zu akzeptieren begonnen hatte. Von Zeit zu Zeit rang er nach Atem.
Es war sehr ruhig im Wald. Kein Vogel sang im Nebel, und die Jäger, die geduldig im Schatten der Bäume warteten, waren so still wie die Bäume selbst. Dougal und ich beugten uns über den Körper im Todeskampf und teilten uns die herzzereißende und notwendige Aufgabe, einem Menschen beim Sterben zu helfen.
Den Rückweg zur Burg legten wir in Schweigen zurück. Ich ging hinter dem Toten, der auf einer improvisierten Bahre aus Kiefernzweigen getragen wurde. Hinter uns, auf die gleiche Weise befördert, kam der Kadaver seines Widersachers. Dougal schritt alleine voran.
Als wir durch das Tor zum Haupthof traten, sah ich die rundliche Gestalt von Vater Bain, dem Priester des Dorfes, der verspätet zu seinem gefallenen Schäflein eilte.
Dougal blieb stehen und streckte die Hand aus, um mich aufzuhalten, als ich mich der Treppe zuwandte, die zu meinem Sprechzimmer führte. Die Träger mit Geordies Leichnam zogen vorbei, der Kapelle entgegen, und ließen uns allein auf dem Flur zurück. Dougal faßte mich am Handgelenk und betrachtete mich mit durchdringendem Blick.
»Sie haben schon öfter Männer eines gewaltsamen Todes sterben sehen«, sagte er ausdruckslos. Es war fast ein Vorwurf.
»Ja«, antwortete ich ebenso ausdruckslos. »Viele.« Ich riß mich los und ging, um mich meines lebenden Patienten anzunehmen.
Geordies Tod, so schauderhaft er war, setzte den Feierlichkeiten nur kurzfristig einen Dämpfer auf. Am Nachmittag wurde in der Burgkapelle eine prächtige Totenmesse gelesen, und am nächsten Morgen begannen die Spiele.
Ich sah wenig davon, da ich vollauf damit beschäftigt war, die Teilnehmer zu verarzten. Alles, was ich mit Gewißheit von den Spielen sagen konnte, war, daß sie mit großem Einsatz ausgetragen wurden. Ich verband einen Stümper, der sich bei dem Versuch, zwischen Schwertern zu tanzen, fast selbst entleibt hatte; ich richtete das gebrochene Bein eines Unglücksraben ein, der in die Flugbahn eines achtlos geworfenen Hammers geraten war; und ich teilte Rizinusöl und Saft von Kapuzinerkresse an zahllose Kinder aus, die zuviel genascht hatten. Am frühen Abend war ich der Erschöpfung nahe.
Ich stieg auf den Behandlungstisch, um den Kopf aus dem kleinen Fenster zu stecken und ein wenig frische Luft zu schnappen. Das Geschrei und Gelächter und die Musik von der Wiese, auf der die Spiele stattfanden, hatten aufgehört. Gut. Keine weiteren Patienten also, zumindest nicht bis morgen. Was, hatte Rupert gesagt, stand als nächstes auf dem Programm? Bogenschießen? Hmm. Ich überprüfte meinen Vorrat an Verbänden und schloß müde die Sprechzimmertür hinter mir.
Dann verließ ich die Burg und schlenderte bergab zum Stall. Mir stand der Sinn nach etwas menschlicher, nicht plappernder und nicht blutender Gesellschaft. Vielleicht würde ich Jamie treffen; dann könnte ich nochmals versuchen, mich dafür zu entschuldigen, daß ich ihn indirekt zur Eidesleistung genötigt hatte. Gewiß, er hatte sich blendend aus der Affäre gezogen, aber wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sich überhaupt nicht eingefunden. Was den Klatsch betraf, den Rupert jetzt über unsere vermeintliche Liebelei verbreiten mochte, so zog ich es vor, nicht daran zu denken.
Das galt auch für meine mißliche Lage, nur würde ich mich früher oder später damit auseinandersetzen müssen. Nachdem es mir nicht gelungen war, am Anfang der Versammlung zu fliehen, fragte ich mich, ob die Chancen am Ende besser standen. Die meisten Pferde würden mitsamt den Besuchern verschwinden. Doch es würde immer noch eine
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