Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)

Aber sie atmet nicht!
    Baby, atme!
    Ehe er es richtig erkannt hat, ist es auch schon vorbei.
    Schlagartig verschwindet die rasende Angst und ein sprichwörtliches Nichts bleibt zurück. Mit jeder Sekunde wird ihre Miene teilnahmsloser und sie beginnt zu schwanken ...
    »JOSIE!«
    Bevor sie fallen kann, fängt er sie auf. Verdammt! Er hat zu lange gewartet! Zu lange! »Oh nein, Baby, du gehst nicht!«
    Andrew hat von seinem rauen Schwur nicht den blassesten Schimmer. Nur eines steht fest: Er wird sie nicht weglassen, weder durch die Tür noch in jede andere verfluchte Richtung. Ohne den Blick von ihrem Gesicht zu nehmen, stürzt er die Treppe hinauf, während sich langsam ihre Lider über längst tote Augen senken.
    Verdammt! Verdammt!
    In seinem Schlafzimmer angekommen wirft er sie auf das Bett, drückt ihren Kopf zurück und zwingt ihren Mund auf.
    Luft! Sie braucht Luft! Die bekommt sie.
    Atme Baby, atme!
    Keine Reaktion.
    Andrew versucht es erneut und sieht keuchend auf.
    Nichts.
    Luft.
    Immer noch nichts.
    Verdammt! Lieber Gott, lieber Gott! Bitte! Verzweifelt schüttelt er sie. »Josie! Atme!«
    Als nach wie vor keine Reaktion erfolgt, übernimmt der Schock mehr und mehr die Kontrolle. Andrew kämpft gegen Josies Scheiß–Lungen, die ihr den Dienst aufkündigen, gegen seine Panik, seine Schwäche und sein Versagen. Und die ganze Zeit wispert eine winzige Stimme in seinem Hinterkopf:
    Lieber Gott, bitte, ich gebe dir alles. Alles, was ich habe, alles, was ich bin. Aber nimm sie mir nicht. Bitte! Ich habe nur sie! Bitte!
    Scheiß Gott! Er reagiert nicht! Stattdessen zerrt er weiter an ihr und versucht, sie ihm zu entreißen! Das Schwein! Wieder schüttelt er sie, heftiger diesmal. »Atme, verdammt!«
    Bitte, bitte, lieber Gott! Ich habe dich noch nie um etwas gebeten. Es ist nicht fair! Du hast schon eine, nimm mir nicht noch die andere. Bitte!
    Aber der Scheiß –Gott scheint absolut was dagegen zu haben, sie ihm zu lassen. Denn Josie atmet nicht.
    SIE ATMET NICHT!
    »Josie!«, brüllt er. »Wenn du nicht sofort Luft holst, dann ...«
    Ja, was denn dann, hmmm, Andrew? Was wird passieren? Scheiße, nichts wird geschehen! Sie geht und du bist allein! Und ehrlich, daran dürftest du dich inzwischen gewöhnt haben. Weil du wieder versagt hast! Nicht Gott nimmt sie dir, du nimmst sie dir selbst! Du kannst nicht auf sie aufpassen! Zu schwach, zu dämlich, zu feige! Ein kleines lausiges Arschloch, das sich stehlen lässt, was es liebt.
    NEIN! Er wird nicht aufgeben! Diesmal nicht!
    DIESMAL NICHT!
    Verzweifelt nimmt er ihr Gesicht in seine Hände. Gott, sie ist blau. Blau! »Josie, bitte atme. Bitte!«
    Da hast du es doch! Du besitzt ja nicht einmal die Kraft, dein Heulen zu verhindern! Du jammerst wie eine Memme, während sie dir unter den Händen wegstirbt.
    ER IST KEINE MEMME! Hastig schluckt Andrew an den Tränen und presst wieder seinen Mund auf ihre Lippen.
    Luft.
    Keine Reaktion ...
    Oh Gott, Josie! Bitte! Bleib bei mir, ich tue alles für dich, wirklich, alles. Ich gebe dir alles, was du willst. Du kannst mich haben, verdammt, du HAST MICH DOCH SCHON! Bitte, bitte, bitte ...
    Doch sie hört ihn nicht.
    Eilig wischt Andrew sich über die Augen und bemerkt, dass seine Hand zittert. Verflucht! Er hat sich nicht unter Kontrolle! Keine Disziplin, das ist es! Genau!
    Reiß dich jetzt zusammen, du gottverdammter Scheißkerl!
    Ja! Wieder presst er seine Lippen auf ihren Mund. Doch sie bewegt sich nicht. Sie atmet nicht. Es geschieht nichts !
    Und mit einem Mal weiß Andrew, dass er verloren hat. Es ist aus.
    Aus und vorbei.
    Aber was macht es im Grunde schon? Gibt es irgendetwas, das jetzt noch von Bedeutung wäre? Nein, nicht wirklich. Leben, Liebe, hat es irgendeine Bedeutung oder jemals Sinn ergeben?
    Das Leben?
    Mit Sicherheit nicht! Es ist nur Kampf, Müdigkeit und Angst! Warum sollte man leben wollen, wenn man immer allein ist?
    Die Liebe?
    Auch eine Niete. Denn warum sollte man lieben wollen, wenn man sich immer viel zu früh verabschieden muss? Benommen blickt er in ihr kleines, regloses und bleiches Gesicht hinab.
    Alles ist vorbei.
    Game over!

    Fest nimmt er sie in die Arme, lehnt seine Wange zärtlich an ihre und dann schließt er seinen Frieden.
    Sobald sie wirklich fort ist ... wenn diese Lider wieder aufgehen, um sich nie mehr auf Josies Befehl zu senken und wenn ihre Haut nicht länger warm, sondern kalt ist, dann wird er ebenfalls Schluss machen.
    Andrew ist fertig mit dem Leben. Gekämpft, verloren,