Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)

Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)

Titel: Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
Vom Netzwerk:
hinsetzt, um Josie im Empfang zu nehmen.
    »Nach Hause, Sir?«
    Fassungslos sieht Andrew auf. Der Kerl hat Josie soeben das Leben gerettet und keine halbe Minute später ist Unbewegte Miene Johnson wieder vor Ort. Als wäre nichts, absolut gar nichts geschehen. Ausdruckslos begegnet er Andrews Blick.
    Als dieser nickt, schließt Johnson die Tür und kurz darauf setzt der Wagen sich in Bewegung.
    Und Andrew?
    Der tut genau das, worin er am besten ist. Er nimmt sein Leben fest in den Arm, verbirgt das Gesicht an ihrer Schulter und heult.

    Im Haus angekommen trägt Andrew sie in ihr Bett.
    Josie ist eingeschlafen und bewegt sich kein einziges Mal. Weder, als er ihr die Schuhe auszieht noch, als er sie zudeckt.
    Völlig erschöpft nimmt er an. Er streicht ihr das Haar aus der klammen Stirn und haucht einen Kuss auf ihre Schläfe, obwohl er weiß, dass er kein Recht besitzt, sie zu berühren.
    Ohne Johnson wäre sie jetzt nämlich tot.
    Für einen langen Moment betrachtet er das Mädchen, dann macht er kehrt und verlässt auf äußerst unsicheren Beinen den Raum. Im Flur lehnt er sich an die Wand und vergräbt das Gesicht in seinen Händen. Warum hat er ihr nicht geholfen? Andrew kann sich selbst nicht verstehen. Es ist, als hätte ihn irgendetwas zu Stein erstarren lassen. Zu nichts mehr fähig, dem Tod ergeben – mit resigniert hängenden Armen und gesenktem Haupt. Ein müdes Schulterzucken: Du willst sie, dann nimm sie dir – ich kann ohnehin nichts dagegen tun.
    Aber das ist nicht das Einzige, was ihn fassungslos zurücklässt: Er ist kein Teenager, bei dem die Hormone verrückt spielen. Jahrelang hatte Andrew die männliche Seite in sich völlig unter Kontrolle. Faktisch nichts konnte seine Disziplin untergraben. Und wenn bildlich gesprochen zwanzig Frauen in Spitzenhöschen auf dem Konferenztisch getanzt hätten, wäre es ihm egal gewesen. Es gab eine Zeit für die Arbeit und eine für das andere. Warum kann er sich bei Josie nicht beherrschen? Und nicht nur heute im Auto. Nein, in Wahrheit ist es doch auch im Büro mehrfach zu diesen Aussetzern gekommen. Er hatte ihr versprochen, ihre persönliche Beziehung zu vergessen, solange sie sich innerhalb der Arbeitsräume aufhalten. Und wie lange hielt er sich an dieses Versprechen? Einen Tag?
    Langsam gewinnt er den Eindruck, dass alles, was ihn bis vor sechs Tagen ausmachte, plötzlich verschwunden ist. Andrew kann sich nicht daran erinnern, in den letzten vierundzwanzig Jahren jemals geweint zu haben. Ja, praktisch weinte er jede beschissene Nacht, doch das entzieht sich seiner Kontrolle. Besäße er die Fähigkeit, seine Reaktionen auch im Schlaf zu kontrollieren, wäre das mit Sicherheit nicht geschehen. Andrew Norton heult nicht. Im Allgemeinen. Aber in Wahrheit flennt er seit zwei Tagen beim kleinsten Anlass.
    Nie hat ihn eine Situation überfordert. Neuerdings versagt er fast in allen Lebenslagen. Nichts ist unter Kontrolle, absolut gar nichts, wie zuvor. Das ist mehr, als er verkraften kann. Und er bringt Josie immer wieder in Gefahr, weil er irgendwann innerhalb der letzten sechs Tage offensichtlich vergessen hat, wer er ist.
    Nein, mein Junge. Du warst allein, das ist das Problem.
    Der DS hat seine Ecke verlassen und sieht ausnehmend väterlich zu seinem Schützling hinab.
    Väterlich – das ist auch neu.
    Ich dachte mir, es wäre das Beste, wenn du deine Erfahrungen selbst machst. Du hättest mir sonst nie geglaubt. Habe ich recht?
    Langsam nickt Andrew.
    Gut, Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Hast du deine Lektion gelernt?
    Wieder erfolgt ein müdes Nicken.
    Und ab sofort wirst du wieder das tun, was ich sage?
    ›Sicher. Aber wenn deine Bedingung lautet, dass ich sie verlasse ...
    Nein, mein Junge. Behalte sie ruhig. Sie ist zwar irre, du scheinst sie trotzdem irgendwie zu mögen. Ich habe nicht vor, dir dein Spielzeug wegzunehmen. Aufgesetzt seufzt er. Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis so eine Scheiße passieren wird. Ich meine, es ist dämlich, doch jeder verliebt sich irgendwann. Ist es nicht so, mein Junge?
    ›Ja.‹
    Gut, und ab sofort läuft alles wieder nach meinen Anweisungen?
    ›Ja.‹
    Siehst du, so gefällst du mir. Dann schlage ich vor, dass du zur Abwechslung einmal was Sinnvolles tust. Es ist erst kurz nach neunzehn Uhr. Da sind mindestens vier Stunden Arbeit drin. Stimmst du mir zu?
    Andrew nickt erneut. Gehorsam, selbstverständlich.
    Das Lächeln des DS verschwindet. Und worauf wartest du noch?

    Als er gegen ein Uhr sein

Weitere Kostenlose Bücher