Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)
Blick senken, was er selbstverständlich nicht zulässt. Es ist zu faszinierend, das Strahlen dieser fantastischen grünen Augen zu beobachten, das ist nämlich zwischenzeitlich zurückgekehrt. »Ich weiß, wie ich aussehe ...«, murmelt sie.
»Ich habe keine Ahnung, worauf du hinaus willst.«
»Die anderen sehen doch ... sie sind viel attraktiver und das alles.«
Sie hat tatsächlich nicht den geringsten Schimmer, welche Reaktionen sie bei seinesgleichen auslöst? Andrew hat das völlig falsch eingeschätzt, realisiert er plötzlich. Josie versucht nicht, unattraktiv zu sein, sondern hält sich dafür. Wie kann es sein, dass ihr in einundzwanzig Jahren noch nie ein Mann erklärt hat, wie atemberaubend sie ist? Lächelnd küsste er sie, und es fühlt sich mit jedem Versuch richtiger, perfekter von höheren Mächten gewollter an. »Du bist mit Abstand die schönste Frau, der ich jemals begegnet bin.«
Sie antwortet nicht, und so bekommt er Gelegenheit, sich die absonderliche, bis vor Kurzem unvorstellbare Gesamtsituation begreiflich zu machen: Derzeit befindet er sich in einem heruntergekommenen Appartement auf einem Bett, dessen Geburtsstunde vor etlichen Jahrzehnten gewesen sein muss. Im Arm hält er eine hinreißende Schönheit, die keine Ahnung davon hat, wie bezaubernd sie ist. Nebenbei ist sie der Ansicht, Sex diene ausschließlich dem Vergnügen des männlichen Parts. Sie trägt ein verwaschenes T–Shirt, das ihr mehrere Nummern zu groß ist und eine ausgebeulte Jogginghose – nicht dass dies ihrer Attraktivität abträglich sein würde. Berührt er sie unüberlegt, leidet sie manchmal unter Erstickungsanfällen und Panik, aber sie reagiert auf ihn, und sie hat gesagt, dass sie ihn mag. Ach so, nur um alle Faktoren zu berücksichtigen: In ihrer Nähe konnte er das erste Mal seit vierundzwanzig Jahren ruhig und zufrieden schlafen.
Vermutlich ist es an der Zeit, die Dinge in die Hand zu nehmen. Erneut sieht Andrew sich in dem kleinen Raum um. »Josie, du musst aus diesem Drecksloch raus!«
»Was?«
Das kommt schon wieder äußerst protestierend, doch diesbezüglich ist er zu keinem Kompromiss bereit. Der Anblick der Nachbarn und der Ratten hat ihm genügt. Obwohl er persönlich nicht ganz sicher ist, wer nun den tierischen Nager und wer einen menschlichen Bewohner darstellt. Die Übergänge verlaufen scheinbar fließend. »Du kannst nicht weiterhin hier hausen!«, bemerkt er strikt. »Es ist zu unsicher. Ich suche dir ein ...«
»Nein!« Diesmal schiebt sie ihn erfolgreich von sich und steht hastig auf. »Ich werde nicht umziehen!«, verkündet sie ziemlich mutig, findet Andrew. »Es ist billig, die Leute sind nett ...«
Ungläubig lacht er auf. »Nett? Josephine, deine Nachbarschaft besteht aus einer Bande von Alkoholikern, Rauschgiftabhängigen und arbeitslosen Quartalssäufern!«
Prompt verringert sich der Umfang ihrer Augen. »Das kannst du nicht wissen. Du kennst sie nämlich gar nicht!«
»Ach nein? Du vergisst, dass ich soeben das gesamte Gebäude mit meinem Gehämmer in Alarmbereitschaft versetzt habe.«
Trotzig verschränkt sie die Arme. »Ich lasse mich nicht von dir aushalten. Vergiss es!«
Mit einigen Mühen widersteht er dem dringenden Wunsch, mit ihr zu diskutieren. Das ist der falsche Moment, wenn es überhaupt jemals einen richtigen gibt. »Wie du meinst. Dann geh dich jetzt anziehen. Ich habe nicht den ganzen Tag dafür Zeit, Assistentinnen aus ihrem unautorisierten Urlaub zu holen.« Sie fährt zusammen, doch er verspürt nicht das geringste Mitleid.
»Aber ...«
»Geh!« Ihrem unsicheren Blick begegnet er mit seinem lang erprobten drohenden, und auch diesmal bleibt die Wirkung nicht aus. Seufzend senkt sie den Kopf und begibt sich in den Verschlag, der sich Bad schimpft.
Norton, du Riesenidiot ...
›Oh nein ...‹
Oh doch. Und du ahnst nicht einmal wie sehr. Also fassen wir die Ereignisse des heutigen Tages so weit zusammen: Du verdonnerst das Flittchen ...
›Wie bitte? Ich denke, dir ist da etwas entgangen.‹
Okay, der Punkt geht an dich. Du verdonnerst das lebensunfähige und selbstmordgefährdete Mädchen dazu, weiterhin für dich zu malochen. Du hast sie gegen ihren Willen geküsst und ziemlich bedrängt ... Klar so weit?
›Ich habe sie nicht gegen ihren Willen geküsst!‹
Aber du hättest, du Sackgesicht, und daher läuft es im Endeffekt aufs Gleiche hinaus. In Ordnung, wäre möglich, dass ich bei ihr eventuell ein bisschen überreagiert habe. Vielleicht
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