Feueraugen II. Drei Städte
getötet und mussten stehlen. Unsere Kameraden aber kamen ahnungslos in die Stadt und eigentlich kann man ihnen gar nichts vorwerfen."
"Warum wollten Sie dann aus ihrem Gefängnis ausbrechen?" fragt der Priester.
"Wie können Sie sich verteidigen, wenn man Sie für Staatsfeinde hält. Unsere Geschichte ist dermaßen verworren und ... mon dieu ... unglaubwürdig, dass man uns eher noch für verrückt erklären würde, als uns zu glauben. Ungeheuerliche Dinge sind uns passiert!"
"Ungeheuerliche Dinge?"
"Ja, Hochwürden. Der Teifi selber steckt bestimmt dahinter, dass uns solch a Unglück passiert is'. Mir san alle ned freiwillig da." sagt Emma, die in ihrer Aufregung wieder in ihren heimatlichen Dialekt verfällt.
Michel hält es für ein Wunder, aber der Priester scheint Emmas Worte verstanden zu haben. Jedenfalls sagt er: "Wenn es der Böse selbst ist, der euch in diese missliche Lage gebracht hat, dann benötigt ihr freilich anderen Beistand als den eines wohl gesonnenen weltlichen Richters." Und nach einer kurzen Pause: "Kommt mit, ich möchte euch zum Hohepriester bringen. Er wird euch anhören, denn es ist unsere Aufgabe Verzweifelte zu trösten, Schwache zu stärken und Gefallene wieder auf zu richten. Ihr werdet den Hohepriester nicht täuschen können. Er wird wissen, ob ihr die Wahrheit sprecht. Und wenn er von eurer Unschuld überzeugt wird, kann er vielleicht auch beim König etwas für euch erwirken."
"Hochwürden, das wär' ja mehr als wir je erhofft ham! JessasMariaundJosef ... hoffentlich is' der Hohepriester heut' gut drauf!"
Ein schwaches Nicken antwortet ihr, dann geht der Priester voran. Emma und Michel folgen hoffnungsvoll.
* * *
Selbstverständlich hat Rodolphe die Kirche nicht verlassen. Baldwin ist eine ziemlich umfassende Beschreibung seines Mitarbeiters gelungen, als er ihn mit dem Attribut 'überaus misstrauisch' charakterisierte.
Rodolphe glaubt nicht an ein 'Asylrecht an heiligen Orten'. Noch immer erwartet er Soldaten, die herbeistürmen würden, um Michel und Emma gefangen zu nehmen. Als er die beiden mit dem Priester davongehen sieht, denkt er zuerst nur an eine List.
'Dieser Oberpfaffe wird ihnen zuhören ...! Bei der ersten Gelegenheit hat man sie überwältigt, und bevor sie's begreifen, sind sie beim Chef und den anderen!' meint er.
Es dauert einige Zeit, bevor sich Rodolphe aus einer dunklen Ecke in die jetzt menschenleere Kirche hinaus wagt. Er schleicht hinüber zu der Türe, hinter der Michel und Emma verschwunden sind. Hier findet er ein sicheres Versteck hinter einem Mauervorsprung bei einem der Nebenaltäre in unmittelbarer Nähe zur Türe. In seinem schwarzen Motorradanzug ist in der nächtlichen Stadt geradezu unsichtbar gewesen, und auch in diesem neuen Versteck kann er überzeugt sein, dass man ihn aus einiger Entfernung nicht gleich würde entdecken können, denn der Schatten der Mauer verbirgt ihn gut.
Etwa eine Viertelstunde vergeht, dann erscheint der Priester, dem Emma und Michel gefolgt sind. Er ist in Begleitung eines anderen Geistlichen. Dieser trägt einen prächtigen Umhang und Rodolphe denkt sich, dass dies vielleicht der oberste Priester der Kirche sein könnte.
"Pater Samarit, diese Fremden haben uns eine Geschichte erzählt, wie ich sie noch nie gehört habe." erklärt er. "Ich kann ihnen kein Wort glauben."
"Ja, Pater Consolit. Selbst in den Märchenbüchern unserer Dichter bin ich auf keine solch fantastische Geschichte gestoßen." bestätigt der andere.
"Wie können sie nur solche Dinge erfinden? Der Unheilige selbst muss in sie gefahren sein! Anders wäre ihre Verwirrung kaum zu erklären!"
"Mein Erstaunen ist nicht geringer, Pater Consolit! Das muss mit den Schriften über diesen unseligen Ort des Verderbens zusammenhängen. Dass sie etwas über das Schloss Rachass und den Feueraugen-Orden gelesen haben - dies zumindest glaube ich ihnen ... wenn auch sonst nichts. Denn, wie sonst könnten sie uns derart viele Details nennen, wenn es nicht so wäre?"
"Wie können sie an die Schriften gekommen sein?" forscht der Hohepriester. "Für mich persönlich steht es fest, dass sie bei unseren Feinden in Destrusion gewesen sind oder der Unheilige selbst hat ihnen etwas gegeben! In jedem Fall wissen wir beide, was zu tun ist. Unsere Pflicht gegenüber den Verzweifelten zwingt uns, ihnen zu helfen. Trotzdem dürfen wir deshalb das Land nicht in Gefahr bringen."
"Ja, wir müssen diese Menschen vor dem
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