Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feueraugen II. Drei Städte

Feueraugen II. Drei Städte

Titel: Feueraugen II. Drei Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
Vom Netzwerk:
hier übrigens sehr gut. Ich schlendere oft durch einsame Gegenden und mache mir meine Gedanken. Tun Sie das auch manchmal? - Sicherlich! Ich sehe es in ihren Augen. Sie sehen mich jetzt noch trauriger an als zuvor. Das finde ich erstaunlich! Eigentlich müsste man sich doch freuen, wenn man auf einem solchen Spaziergang jemanden trifft, der einem geistig verwandt ist."
    Hostia bleibt stumm. Sie rührt sich nicht - will nicht davongehen.
    "Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir ein wenig zusammen herumschlendern? Muss ja nicht sein, wenn Sie lieber alleine sind. Ich meine ... ich verstehe das sehr gut, wenn Sie ohne mich gehen wollen. Manchmal trifft man gerade dann jemanden, wenn man alleine sein will. Das steht zwar in einer Art Widerspruch zu dem, was ich vorhin gesagt habe, aber es stimmt wohl. Auch Geistesverwandte sind nicht immer und überall willkommen. Manchmal ist man sich selbst der beste Gesellschafter. Trotzdem ... wollen sie?"
    Hostia schweigt immer noch, aber auf einmal ergreift sie seinen Arm und hängt sich bei ihm an. Zeramov versteht; sie will nicht reden aber gegen einen gemeinsamen Rundgang hat sie nichts.
    Nebeneinander spazieren sie weiter - über alte Steintreppen hinweg, durchs Erdgeschoss großer Bauwerke, die bis auf die Grundmauern verschwunden sind und durch Straßen von einst, die heute keinen Verkehr mehr erleben. Eine schwache Ahnung, wie dieses Conclusion einmal ausgesehen haben könnte, dämmert Zeramov. Eine wunderbare Stadt mit prächtigen Bauten, Straßen und öffentlichen Vergnügungsstätten. Doch über all den übrig gebliebenen Zeugnissen dieser Vergangenheit hat sich die Erde hergemacht: Gestrüpp, Moos, Flechten und Gräser wuchern und verdecken die Grundrisse der Pracht von einst.
    "Sie haben Recht, Hostia!" sagt er später. "Wenn man schweigt, versteht man all das hier viel besser. Es ist dem Gefühl vergleichbar, das man nach einer langen Nacht voller angeregter Gespräche hat. Man ist alleine und denkt an die vielen Worte zurück, mit denen man seine Gedanken ausgedrückt hat - und wundert sich, warum überhaupt soviel gesprochen wurde."
    Wieder vergehen Minuten des Schweigens. Zeramov möchte reden und mehrmals setzt er an. Hostias Gegenwart hemmt ihn, denn sie reagiert nicht auf seine Worte. Stumm geht sie an seiner Seite und sieht vor sich hin. Er kann von ihr nicht erwarten, dass sie ihm zuhört, aber all die Zweifel, die ihn beschäftigen, möchte er aussprechen. Zeramov glaubt, in Hostia einen Menschen gefunden zu haben, der sich an seinen Gedanken zumindest nicht stören wird - wenn er schon nicht daran teilhat.
    "Baldwin, die anderen und ich, wir haben ebenfalls schon viel geredet. Die uralte Sage, die wir erforschen wollen, gibt uns Rätsel auf. Rätsel, deren Auflösung in einiger Ferne zu liegen scheint!" Er spricht von der Kraft der Gedanken, der Ohnmacht des Wortes und der Nutzlosigkeit ewigen Redens. Schließlich ist er so verwirrt, dass er plötzlich verstummt.
    'Einfach verrückt. Sie spricht kein Wort! Man könnte glauben, dass sie stumm oder ... ein bisschen einfältig ist. Andererseits erhebt sich die Frage, ob ein einfältiger Mensch zu schweigen versteht. Besser wohl lieber nichts sagen als Blödsinn?' denkt er sich. 'Wenn sie nicht total blöde ist, dann auf jeden Fall bewundernswert!'
    Bei einem noch sehr gut erhaltenen Säulengang bleiben sie stehen. Die Morgensonne bescheint diesen Flecken und die Nebelschwaden verziehen sich rasch. Zeramov beobachtet die erwachende Natur.
    Ein Feuersalamander springt ganz dicht vor seinen Schuhspitzen auf, als sie nebeneinander auf einer umgestürzten Säule Platz nehmen.
    "Ein eigenartiger Ort!" murmelt er, ohne auf eine Reaktion des Mädchens zu erwarten, vor sich hin. "Was für eine belebte Stadt das einmal gewesen sein muss. Wer hat sie erbaut, wer bewohnt?" Zeramov atmet tief durch und genießt dabei den würzigen Duft der Luft. "Wissen sie, Hostia, eigentlich fühle ich mich in dieser Welt ziemlich wohl. Der alten, wie ich sie kenne, würde ich bestimmt keine Träne nachweinen. Hier gibt es viel Gutes und auch viele Nachteile – darin unterscheidet sich dieses Land nicht von dem unseren. Aber alles ist hier so frisch, so neu und unverbraucht – zumindest erscheint es mir so ... eben, weil ich aus einer Welt komme, die sich selbst aufgearbeitet hat. Wären wir nicht auf der Suche nach Rachass, dann könnte ich mich mit dem Gedanken anfreunden, hier zu leben. Wahrscheinlich würde ich versuchen, mir irgendwo

Weitere Kostenlose Bücher