Feuerball
Internationale Flüchtlingsjahr bringt viele Anfragen aus aller Welt. Guten Tag, Monsieur, pas de quoi!«
So oder ähnlich spielt sich das ab, und man tritt befriedigt auf den Boulevard hinaus, beeindruckt von einer Organisation, die ihre exzellente, wenn auch etwas vage Arbeit voll Hingabe und Tüchtigkeit betreibt.
Einen Tag, nachdem James Bond seine Kur beendet hatte und nach London zurückgekehrt war (nicht ohne am Abend vorher in doppelter Hinsicht höchste Befriedigung erfahren zu haben - in der Form von Spaghetti Bolognese und Chianti bei Luciens in Brighton und in Gestalt von Miß Patricia Fearing auf den Rücksitzen ihres Kleinwagens oben in den Downs), hatte man bei FIRCO für sieben Uhr abends eine dringende Verwaltungsratssitzung anberaumt. Von überallher aus Europa kamen die Herren, auf dem Luftweg, per Auto oder per Eisenbahn, und trafen seit dem späten Nachmittag einzeln oder paarweise in Nr. 136 bis ein: einige durch den Vorderen, manche durch den Hintereingang, zu der für jeden Teilnehmer speziell festgesetzten Ankunftszeit. An jedem der Eingänge gab es zwei concierges sowie weniger sichtbare; Vorsichtsmaßnahmen wie Warnsysteme, Fernsehkontrolle und ganze Serien von falschen FIRCO-Sitzungsberichten, die sämtlich durch die laufenden Geschäfte der Vereinigung im Erdgeschoß gedeckt waren. So konnten, wenn nötig, die »Verwaltungsrat ssitzungen« sekundenschnell in öffentliche verwandelt werden, so eindeutig öffentlich, wie eine Bevollmächtigtenversammlung am Boulevard Haussmann nur sein kann.
Pünktlich um sieben Uhr begaben sich die zwanzig Herren, die diese Vereinigung bildeten, in den gediegen ausgestatteten Sitzungssaal im dritten Stock.
Der Präsident hatte seinen Platz bereits eingenommen. Begrüßungsformalitäten gab es keine, der Präsident hielt sie für bloße Atemvergeudung und, bei der Natur der Vereinigung, für Heuchelei obendrein. Die Herren reihten sich um den Tisch und nahmen ihre numerierten Plätze ein. Diese 21 Nummern waren hier ihre einzigen Namen und wechselten im Turnus um Mitternacht jedes Monatsersten um zwei Nummern weiter. Niemand rauchte - Alkohol galt als Tabu, und Rauchen wurde nur höchst ungern gesehen - und niemand nahm sich die Mühe, die erdichtete FIRCO-Tagesordnung vor sich zu studieren. Alles saß still und blickte gespannt und respektvoll auf den Präsidenten am oberen Ende des Tisches.
Jeder, der Nr. 2 (der Präsident hatte derzeit diese Nummer) gesehen hätte, würde schon bei seiner ersten Begegnung mit ihm das gleiche empfunden haben, denn Nr. 2 gehörte zu jenen suggestiven Persönlichkeiten, wie man ihnen nur zwei-, dreimal im Leben begegnet und deren Blick einem geradezu die Augen aus dem Kopf zu saugen scheint.
Der Name dieses ungewöhnlichen Mannes war Ernst Stavro Blofeld, geboren am 28. Mai 1908 zu Gdynia als Sohn eines polnischen Vaters und einer griechischen Mutter. Er hatte in Warschau Maschinenbau und Elektrophysik studiert und mit 25 einen kleinen Posten bei der Zentrale der Post- und Telegrafengesellschaft angenommen - eine merkwürdige Wahl für einen begabten jungen Mann; aber Blofeld war zu dem Schluß gekommen, daß ein rasches, genaues Nachrichtensystem in dieser kleiner werdenden Welt Macht bedeutet. Im Krieg wie im Frieden die Wahrheit früher als die anderen gekannt zu haben: dieser Vorteil steckte seiner Meinung nach hinter jeder richtigen Entscheidung in der Geschichte. So verfolgte er genau die Kabel und Radiogramme, die in der Postzentrale durch seine Hände gingen, und kaufte oder verkaufte danach an der Warschauer Börse. Als die Mobilmachung kam, ergoß sich ein wahrer Strom von Rüstungsaufträgen und diplomatischer Korrespondenz durch seine Abteilung. Das alles war zwar wertlos für ihn , für den Feind aber unbezahlbar. So änderte Blofeld alsbald seine Taktik. Erst noch ungeschickt, dann schon fachmännischer, richtete er es ein, von den chiffrierten Meldungen Kopien zu machen, wobei er nur jene mit dem Vermerk »Sehr dringend« oder »Streng geheim« auswählte. Dann baute er sich ein Netz fiktiver Agenten auf. Es waren das in Wirklichkeit existierende, aber unbedeutende Beamte in jenen Gesandtschaften und Rüstungsbetrieben, an die der Großteil der von ihm kopierten Telegramme gerichtet war: etwa ein junger Chiffrierbeamter in der britischen Botschaft, ein Übersetzer in französischen Diensten, Privatsekretäre in den Großfirmen. Ihre Namen ließen sich leicht aus den diplomatischen Listen oder durch
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