Feuerball
hinauf, kleidete sich an und machte, daß er wegkam. Hinter ihm, ganz gedämpft, erklang das erste Hilfegeschrei. Aber Bond wollte nichts hören. Eine qualvolle Spitalwoche mit sehr viel Enziansalbe und Gerbsäuregelee würde schon alles wieder gutmachen! Nur eines irritierte ihn: die Höhe der gebogenen Summe. Wer eine Bestechung von 50 000 Pfund anbieten konnte, der mußte entweder sehr reich sein - oder einen dringenden Grund für seine Bewegungsfreiheit haben! Denn bloß, um sich vor Schmerzen zu bewahren, war das unbedingt zuviel.
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Der Boulevard Haussmann im VIII. und IX. Arrondissement Verläuft von der Rue du Faubourg St. Honore zur Oper. Obwohl lang und langweilig, ist er vielleicht die solideste Straße von ganz Paris. Nicht die reichste - diesen Ruf genießt die Avenue d’Iena -, aber reiche Leute sind nicht immer «ich solide Leute, und die Namen gar zu vieler Mieter und Hauseigentümer in der Avenue d’Iena enden auf -escu, -ovitsch, -ski und -stein, was nicht unbedingt auf Reputation deuten muß. Überdies besteht die Avenue d’Iena fast ausschließlich aus Wohngebäuden. Die gelegentlich anzutreffenden diskreten Messingschilder mit dem Namen einer Holding-Gesellschaft in Liechtenstein, auf den Bahamas oder im Kanton Waadt in der Schweiz sind nur aus Steuergründen montiert und sind Deckadressen für private Familienvermögen zum Zwecke der Steuererleichterung oder, deutlicher, der Steuerhinterziehung.
Nicht so der Boulevard Haussmann: in seinen massiven Bauten in nachgeahmtem Second Empire mit den überladenen Fassaden aus der Zeit um 1900 haben bedeutende Unternehmungen ihren Sitz. Hier liegen die Hauptbüros der gros industriels von Lille, Lyon, Bordeaux, Clermont-Ferrand, die >locaux< der grosses légumes, der Großunternehmer in Baumwolle, Kunstseide, Kohle, Wein, Stahl und Schiffsbau. Nun gibt es in diesem hochachtbaren Viertel, das überdies zwei Kirchen, ein kleines Museum und die französische Shakespearegesellschaft umfaßt, auch die Zentralen von Wohlfahrtsorganisationen. Am Eingang zu Nr. 136 bis zum Beispiel trägt eine diskret schimmernde Messingtafel die Bezeichnung FIRCO Fraternité Internationale de la Résistance Contre l’Oppression. Interessiert man sich näher für diese Organisation - etwa als Vertreter einer Büromöbelfirma -, drückt man den peinlich sauberen Porzellanknopf, so öffnet sich nach angemessener Zeit das Tor, und man sieht sich einem überaus typischen französischen concierge gegenüber. Ist die Angelegenheit seriös, dann geht es durch die ein wenig verstaubte Halle zu einer hohen Doppeltür in falschem Directoire, hinter der sich die gebrechliche, jedoch verschwenderisch ornamentierte Aufzugskabine befindet. Auch das Büro selbst entspricht ganz den bisherigen Wahrnehmungen: es ist ein großer, schäbiger Raum, der Erneuerung seines milchkaffee-farbenen Anstrichs dringend bedürftig, worin ein Halbdutzend Männer an billigen Schreibtischen äußerst beschäftigt tun. Es mag auffallen, daß die Männer sämtlich der Altersstufe zwischen dreißig und vierzig angehören und daß es in diesem Büro keine einzige weibliche Arbeitskraft gibt.
Nach dem leicht ablehnenden Empfang, wie er bei so emsigem Betrieb nicht anders zu erwarten ist, bringt man sein Anliegen vor und erlebt, wenn es seriöser Art ist, wie sich die Miene des Mannes am Schreibtisch neben der Tür aufhellt und eine vorsichtige Hilfsbereitschaft verrät. »Der Zweck unserer Vereinigung? Oh, wir sind dazu da, Monsieur, jene Ideale, von denen im letzten Krieg alle Mitglieder der Resistance erfüllt waren, lebendig zu erhalten! Nein, Monsieur, wir sind völlig unpolitisch! Unsere Gelder? Alles aus den bescheidenen Mitgliedsbeiträgen und aus den Spenden jener, die unsere Absichten teilen. Suchen Sie vielleicht einen verschollenen Verwandten, ein Mitglied einer Widerstandsgruppe? Aber gewiß, Monsieur! Der Name? Gregor Karlski, zuletzt bei Mihailovic, Sommer 1943? Ich lasse nachsehen. Jules! Karlski, Gregor. Mihailovic 1943!« Und Jules geht zu einem Schrank, eine Pause tritt ein, dann kommt die Antwort: »Tot. Gefallen beim Bombenangriff auf den
Divisionsgefechtsstand, 21. Oktober 1943. Es tut uns leid, Monsieur! Können wir sonst etwas für Sie tun? Vielleicht ein paar unserer Broschüren zur Information? Entschuldigen Sie, daß nicht ich selbst Sie eingehender über FIRCO informieren kann, aber Sie werden hier alles finden, was Sie brauchen. Wir sind heute sehr beschäftigt, dieses
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