Feuerball
Anruf bei den betreffenden Firmen ermitteln. Als Blofeld alle seine Namen beisammen hatte, nannte er sein Netz TATAR und machte mit Hilfe von ein, zwei Exemplaren seiner Arbeit diskrete Anknüpfungsversuche beim deutschen Militärattache. So kam er rasch mit dem Amt IV der Abwehr in Verbindung, und von da an ging alles ganz leicht. Als das Geld rasch hereinkam (er nahm nur Dollarwährung), ging er daran, den Markt auszuweiten. Die Russen und die Tschechen gab er - nachdem er sie kurz in Betracht gezogen hatte - als schlechte oder doch schleppende Zahler auf. Statt ihrer wählte er die Amerikaner und die Schweden, und das Geld regnete buchstäblich auf um herab. Da er indes sehr auf seine Sicherheit bedacht war, wurde ihm bald klar, daß er dieses Tempo nicht durchhalten könne. Etwas würde durchsickern, entweder zwischen dem deutschen und dem schwedischen Geheimdienst, von denen er wußte, daß sie eng zusammenarbeiteten, oder durch die alliierte Gegenspionage und ihren Chiffrierdienst. Oder auch nur durch den
Tod oder die Versetzung eines seiner Mittelsmänner, während er, ohne davon zu wissen, vielleicht diesen Namen noch weiter als Quelle angab. Da er nun 200 000 Dollar auf der Seite hatte und überdies der Krieg zu nahe bevorzustehen schien, als daß man sich hätte sicher fühlen können, beschloß er, sieh nach einem sichereren Teil der Welt abzusetzen.
Blofeld machte das ganz fachmännisch: zunächst gab er seinen Geheimdienst sukzessive auf. Dann investierte er in Amsterdam sein gesamtes Vermögen in Shell-Aktien und transferierte sie von dort in ein numeriertes Tresorfach einer Bank in Zürich. Ehe er - als letzten Schritt - seinen Verbindungsmännern eröffnete, daß er erledigt sei und das polnische Deuxième Bureau auf den Fersen habe, fuhr er nach Gdynia, besuchte das Standesamt und die Kirche, in der er getauft worden war, und schnitt dort unter dem Vorwand, Einzelheiten über einen Freund einsehen zu wollen, die Seite mit seinen eigenen Daten heraus. Nun war vor der Abreise nach Schweden nur noch eine jener Paßfabriken ausfindig zu machen, wie sie in jedem großen Seehafen arbeiten, um dort den Paß eines kanadischen Seemannes zu kaufen. Dann ging’s ab nach Schweden, von wo er nach einer gewissen Zeit des Abwartens nach der Türkei flog - diesmal mit seinem echten, polnischen Paß. Sein Geld ließ er von der Schweiz an die Ottomanische Bank in Istanbul überweisen. Nach dem Zusammenbruch Polens meldete er sich bei den türkischen Behörden als Flüchtling und erreichte mit Hilfe von Schmiergeldern die Aufenthaltsbewilligung. Radio Ankara war froh, ihn als Fachmann anzustellen, und er rief RAHIR ins Leben, ein neues Spionagesystem in der Art von TATAR, nur etwas solider: Blofeld wartete diesmal mit dem Verkauf seiner Ware, bis der Sieger schon feststand, und entschied sich erst nach Rommels Vertreibung aus Afrika für die Alliierten. Er beendete den Krieg in Ruhm und Wohlstand, mit Orden und Auszeichnungen von Engländern, Amerikanern und Franzosen und mit einer halben Million Dollar auf Schweizer Bankkonten. Mit einem auf Serge Angström ausgestellten schwedischen Paß verzog er nach Südamerika, um sich dort zu erholen, gut zu essen und neue Ideen zu ersinnen.
Und nun saß dieser Ernst Blofeld unter seinem richtigen Namen - das war weniger gefährlich - in dem stillen Raum am Boulevard Haussmann und suchte nach einem Blick, der dem seinen auswiche.
Die Augen, welche jetzt langsam und forschend die zwanzig Männer betrachteten, wiesen keine Tränensäcke auf, und das Gesicht zeigte keinerlei Anzeichen von Ausschweifung, Krankheit oder Alter. Es blieb weiß und ausdruckslos unter dem bürstenförmig geschnittenen Haar. Das Kinn, obgleich schon mit dem würdevollen Fett der »besten Jahre« versehen, zeigte Entschlußkraft und Selbständigkeit. Nur der Mund unter der plumpen Nase fügte sich nicht in dieses Gesamtbild, das sonst auf einen Philosophen oder
Wissenschaftler hätte schließen lassen. Stolz und schmal, war er nur eines falschen, häßlichen Lächelns fähig, voll Verachtung, Willkür und Grausamkeit.
Blofeld wog etwa 130 Kilo. Er verbarg seinen umfangreichen Bauch unter weiten Hosen und gutgeschnittenen Zweireihern. In den Bewegungen immer noch rasch, wirkte er für gewöhnlich sehr ruhig. Er trank und rauchte nicht, über sein Sexualleben war nichts bekannt, ja, er aß nicht einmal sehr viel.
Die zwanzig Männer, die an dem langen Tisch geduldig auf Blofelds Worte warteten,
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