Feuerball
er ist in Sorge wegen seiner Linie! Sind dafür nicht diese Heizdeckenbäder günstig?« - »Nein, das Türkische Bad hab’ ich noch nicht gesehen, muß es mal nachholen.« Oder zu seinem Masseur: »Diesen großen Kerl hab’ ich schon länger nicht gesehen, wie heißt er nur, Graf Dingsda - Ripper? Hipper? Ach ja, Lippe! Aha, jeden Tag mittags? Ich muß zusehen, auch diese Zeit zu bekommen. Ist doch viel angenehmer, für den Rest des Tages frei zu sein. Ja, und dann hätte ich gern eine kleine Sitzung im Türkischen Bad, wenn Sie mit der Massage fertig sind. Muß mal richtig ausschwitzen.« Ganz harmlos, Stück für Stück, baute Bond seinen Operationsplan auf - einen Plan, der ihn eines Tages mit Lippe und den Geräten der schalldichten Behandlungsräume allein lassen würde.
Denn eine andere Gelegenheit gab es nicht. Graf Lippe blieb bis zur mittäglichen Behandlungszeit auf seinem Zimmer. Nachmittags wischte er in seinem violetten Bentley davon, nach Bournemouth, wie es schien, »in Geschäften«. Erst gegen elf Uhr nachts kam er zurück. Er wurde vom Nachtportier eingelassen.
Eines Nachmittags, zur Zeit der Siesta, öffnete Bond das Yaleschloß zu Graf Lippes Zimmer mit einem harten Plastikstreifen. Seine Durchsuchung war ein glatter Mißerfolg: er erfuhr lediglich - aus Kleidung und Wäsche -, daß der Graf ein weitgereister Mann war: Hemden von Charvet, Krawatten von Tripler, Dior und Hardy Amies, Schuhe von Peel und Rohseidenpyjamas aus Hongkong. Der dunkelrote Maroquinkoffer von Mark Cross mochte Geheimnisse enthalten; Bond sah sich das Seidenfutter an und spielte mit dem Wilkinson-Rasiermesser des Grafen. Doch nein! Diese Revanche sollte, wenn es sich machen ließ, aus heiterem Himmel kommen!
Noch an diesem Nachmittag kratzte Bond, während er seinen sirupartigen Tee trank, seine mageren Kenntnisse über Graf Lippe zusammen: etwa dreißig, Frauenliebling, sehr kräftig. Vermutlich portugiesischer Abstammung mit chinesischem Einschlag, reich. Was aber trieb er? Was war sein Beruf? Auf den ersten Blick hätte ihn Bond für einen hartgesottenen maquereau, einen Zuhälter aus der Ritz-Bar in Paris, dem Palace in St. Moritz, dem Carlton in Cannes gehalten . Der Anschlag? Es mochte nur eine Warnung, konnte aber auch ernst gemeint sein. Warum nur? Wer war dieser Mann, der so viel zu verbergen hatte? Und was hatte er zu verbergen?
Headquarters gegenüber wollte er nichts von der Sache erwähnen. Vor diesem Shrublands-Hintergrund wirkte der Vorfall eher unwahrscheinlich, war er von peinlicher Komik. Geschwächt durch diese Warmwasser- und Gemüsesuppendiät, war der Star des Geheimdienstes auf eine Art Folterbank geschnallt worden, dann war ein Mann gekommen, hatte ein wenig an einem Hebel gerückt und aus dem Helden aus hundert Kämpfen einen zitternden Pudding gemacht . nein! Hier gab es nur eine Lösung: die private, Mann gegen Mann. Später mochte es ja ganz interessant sein, dem Grafen Lippe auf die Schliche zu kommen - beim SIS-Archiv, bei CID, bei der Polizei von Hongkong. Aber vorerst hieß es Ruhe bewahren, dem Herrn aus dem Weg gehen und alles für den Zahltag vorbereiten.
Am vierzehnten Tag - seinem letzten in Shrublands - hatte Bond beisammen, was er brauchte: die Zeit, den Ort und die Methode.
Um zwölf Uhr empfing ihn Mr. Joshua Wain zur Schlußuntersuchung. Als Bond das Sprechzimmer betrat, machte Mr. Wain eben Atemübungen beim offenen Fenster. Mit einem letzten, gründlichen Ausatmen wandte er sich dem Besucher zu: »Da sind Sie ja.« Sein Lächeln glänzte vor Kameradschaftlichkeit. »Nun, und wie geht es uns, Mr. Bond? Keine Nachwirkungen nach dem kleinen Malheur? Sehr gut! Ja, der Körper hält erstaunlich viel aus! Jetzt ziehen wir uns bitte das Hemd aus, und dann wollen wir sehen, was Shrublands für Sie hat tun können.«
Mr. Wain stellte fest: Blutdruck reduziert auf 132/84, zehn Pfund Gewichtsabnahme, osteopathische Beschwerden verschwunden, Zunge ohne Belag, Augen klar. Und schon befand sich Bond auf dem Weg ins Kellergeschoß zu seiner letzten Massage.
Wie immer war es kühl und still dort. Aus manchen Einzelzellen drang Stimmengemurmel, sonst waren nur die Wasserleitungsgeräusche zu hören. Das ständige Surren der Ventilatoren erinnerte an das Innere eines Schiffes bei völliger Flaute. Es war jetzt kurz vor halb eins. Bond legte sich mit dem Gesicht nach unten auf den Massagetisch und lauschte während der Prozedur auf die gebieterische Stimme und die barfüßig tappenden
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