Feuerball
und auch für Bombe Nr. 2, wenn es Ernst wird, eher in Amerika zu finden ist. Erstens haben die Amerikaner die größere Angst vor Bomben und lassen sich daher leichter überreden, falls Bombe Nr. 2 zum Einsatz kommt. Im weiteren sind Anlagen, die mehr als hundert Millionen Pfund wert sind, in Amerika häufiger als in Europa, und überdies spricht die ganze Abfassung des Briefes und die Verwendung von Briefpapier holländischen Ursprungs sowie die Skrupellosigkeit des Plans für die Annahme, daß SPECTRE eine europäische Organisation ist. Auch das läßt darauf schließen, daß eher ein amerikanisches Ziel in Frage kommt. Das alles, sowie die Voraussetzung, daß der Bomber nicht in Amerika selbst oder vor der amerikanischen Küste gelandet sein kann - dazu ist das Küstenradar dort zu gut -, brachte mich auf die Idee, er könnte auf den Bahamas verborgen sein, auf dieser Inselgruppe mit den vielen unbewohnten Inseln in flachem Wasser, die nur eine einzige, einfache Radarstation für die zivile Luftfahrt besitzen. Der Süden gegen Kuba, Jamaika und die Antillen hin bietet kein lohnendes Ziel, auch wäre diese Ausgangsbasis zu weit von der amerikanischen Küste entfernt. Aber die küstennächste Insel der Bahamagruppe ist nur 300 Kilometer vom Festland entfernt - das sind sechs oder sieben Stunden in einem schnellen Motorboot oder in einer Jacht.«
Bond unterbrach: »Wenn Ihre Annahme stimmt, Sir, warum hat dann SPECTRE seinen Brief an den PM geschickt und nicht an den Präsidenten der USA?«
»Verschleierungsmanöver. Um uns eben das tun zu lassen, was wir jetzt tun: in der ganzen Welt herumjagen, anstatt einen ganz bestimmten Teil davon abzusuchen. Und vielleicht auch, um stärkere Schreckwirkung zu erzielen. Es dürfte SPECTRE klar gewesen sein, daß die Ankunft des Briefes so rasch nach dem Verlust des Bombers uns einen gehörigen Schlag versetzen würde. Vielleicht meinten sie sogar, wir würden ohne weiteres mit dem Geld herausrücken. Denn die nächste Stufe, der Angriff auf Ziel Nr. 1, ist für sie schon ein harter Brocken. Ohne ihn wär’ es ihnen lieber, sie möchten ihre Aktion sicher so rasch als möglich abschließen. Daraufhin müssen wir spielen. Wir müssen es soweit wie vertretbar auf den Einsatz der ersten Bombe ankommen lassen, in der Hoffnung, daß etwas sie in den nächsten sechsdreiviertel Tagen verraten wird. Es ist eine schwache Chance, aber ich hoffe auf die Richtigkeit meiner Vermutung und« - M drehte seinen Stuhl herum - »auf Sie. Jawohl!« Er blickte Bond scharf an. »Irgendwelche Kommentare? Wenn nicht, dann ziehen Sie lieber gleich los. Sie sind für alle Maschinen nach New York, von jetzt bis Mitternacht, vorgemerkt. Weiteres bei BOAC. Ich dachte auch daran, eine RAF-Canberra zu verwenden, aber ich möchte nicht, daß Ihre Ankunft auffällt. Sie sind nichts als ein reicher junger Mann, der sich auf den Inseln ankaufen möchte. Das ist ein guter Grund für Sie, sich umzusehen, soviel Sie nur wollen. Ja?«
»In Ordnung, Sir.« Bond erhob sich. »Ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube, daß dieses ganze Unternehmen für eine kleine Gruppe zu bedeutend ist. Mir sieht das alles viel mehr nach einem russischen Handstreich aus. Sie haben das Testflugzeug und die Bomben - kein Zweifel, daß sie das haben wollen - und streuen uns mit diesem ganzen SPECTRE-Zirkus Sand in die Augen. Würde SMERSH noch arbeiten, ich hätte gesagt, sie hätten die Finger darin - es wäre ganz ihr Stil. Aber das können ja unsere Ost-Abteilungen herauskriegen. Sonst noch etwas, Sir? Mit wem arbeite ich in Nassau zusammen?«
»Der Gouverneur weiß von Ihrem Kommen. Außerdem gibt’s dort eine gutgeschulte Polizei, und CIA schickt vermutlich einen guten Mann mit Funkausrüstung. Von dem Apparatezeug haben die ja mehr als wir. Sie nehmen eine Chiffriermaschine mit Triple-X-Einstellung mit. Ich will jedes Detail erfahren, alles an mich persönlich!«
»Sehr wohl, Sir.« Bond verließ den Raum. Da gab es nichts mehr zu sagen. Es sah so aus, als wäre das der größte Auftrag, den der Geheimdienst je erhalten hatte. Und ausgerechnet jetzt würde er, Bond, in der hintersten Reihe stehen! Denn er hielt nicht viel von M’s Vermutung. Aber bitte schön: er würde sich braunbrennen lassen und dem Schauspiel von den Kulissen aus beiwohnen.
Als Bond mit der netten ledernen Chiffrierkassette, die ebensogut eine teure Filmkamera hätte enthalten können, aus dem Gebäude trat, hörte der Mann in dem hellen Volkswagen
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