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Feuerball

Titel: Feuerball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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viereckigen Goldarmbanduhr mit schwarzem Zifferblatt trug sie keinerlei Schmuck. Die weißen Rehledersandalen paßten zu einem ebensolchen Gürtel und einer entsprechenden Handtasche. Da Bond heute morgen etwa hundert Einreiseformulare studiert hatte, wußte er, daß das Mädchen Dominetta Vitali hieß, in Bolzano geboren war und österreichisches Blut hatte. Sie war 29 und »Schauspielerin«. Sie war vor sechs Monaten mit der Disco angekommen und offensichtlich die Geliebte des Jachtbesitzers, eines gewissen Emilio Largo. Hingegen war sie durchaus keine »italienische Dirne«, als die Harling, der Polizeikommissar, sie bezeichnet hatte. Eher ein unabhängiges, selbstbewußtes Mädchen, das das reiche, lustige Leben liebte. Bond jedenfalls fand sie goldrichtig. Wenn sie mit Männern schlief, dann bestimmte sicherlich sie die Bedingungen.
    Frauen sind oft vorsichtige, verläßliche Fahrer, chauffieren aber selten erstklassig. Dieses Mädchen hingegen fuhr wie ein Mann, völlig auf die Straße vor sich eingestellt und auf das, was im Rückspiegel vorging. Und, ebenso selten bei einer Frau: sie hatte eine männliche Freude an der Maschine, am Schalten im richtigen Moment, am Einsatz der Bremsen.
    Da sie von Bond keine Notiz nahm, konnte er sie ungestört betrachten. Das Profil, die gerade, kurze, nach oben gerichtete Nase, das energische Kinn und die klargeschnittene Wangenlinie waren von nahezu königlicher Entschiedenheit, und ihre Art, den Kopf zu tragen, verriet Autorität. Nur zwei Dinge störten den klaren Gesamteindruck: eine weiche, wirre Brigitte-Bardot-Frisur, die in reizvoller Unordnung unter dem Strohhut hervorquoll, und zwei tiefe, aber sanfte Grübchen, die nur durch ein - vielleicht ironisches - Lächeln entstanden sein konnten.
    Der MG fegte aus der Shirley Street in die Eastern Road und folgte nun der Küste. Jenseits der breiten Hafeneinfahrt lagen die smaragd- und türkisfarbenen Untiefen von Athol Island. Eben fuhr ein Tiefseefischerboot darüber hinweg, die beiden Vier-Meter-Ruten zeichneten achtern ihre Antennenlinien. Ein schnelles Motorboot näherte sich dem Ufer, der Wasserskifahrer im Schlepp beschrieb enge Slaloms überm Kielwasser. Der Tag war schön, und im Augenblick war Bond jener tiefen Unentschlossenheit und Mutlosigkeit entrückt, die ihn stets befiel, wenn er an seinen aussichtslosen, zeitvergeudenden Auftrag dachte.
    Die Bahamas, eine Kette von tausend Inseln, die sich von der Küste Floridas 800 Kilometer weit bis gegen die kubanische Nordküste hinziehen, vom 27. bis zum 21. Breitengrad, hatten fast 300 Jahre lang allen berühmten Piraten Unterschlupf geboten. Heute schlachtet die Touristenindustrie diese romantischen Legenden weidlich aus, und so verkünden die Straßentafeln Schwarzbarts Turm, 1 Meile, oder Pulvermagazin. Fischspezialitäten. Schattiger Garten, Erste Abzweigung links.
    Links kam ein Sandweg. Das Mädchen bog hinein und fuhr zu einem verfallenen, steinernen Lagerhaus, neben dem ein schindelgedecktes Gebäude mit weißen Fensterrahmen und weißem Eingang im Stil des achtzehnten Jahrhunderts stand. Das Wirtshausschild zeigte in lebhaften Farben ein Pulverfäßchen mit Totenkopf und gekreuzten Knochen. Der MG fuhr in den Schatten einer Gruppe Kasuarinabäume, die beiden stiegen aus, durchschritten den Eingang und den kleinen Speisesaal mit den rot-weiß gewürfelten Tischtüchern und traten auf eine Terrasse, die auf den Resten eines steinernen Piers errichtet war. In Sonnenschirme verwandelte Seemandelbäume spendeten Schatten. Ein farbiger Kellner mit fleckiger weißer Jacke schlurfte hinter ihnen drein. Sie wählten einen der kühlen Tische am Terrassenrand mit Blick aufs Wasser. Bond sah auf die Uhr und sagte: »Es ist genau Mittag, Trinken Sie was Scharfes oder was Leichtes?«
    »Was Leichtes. Ich nehme eine doppelte >BIoody Mary< mit viel
    Worcestersauce.«
    Bond meinte: »Was nennen Sie dann scharf? Ich nehme einen Wodka mit Tonic und eine Spur Bitter.« Der Kellner sagte »Yessuh« und latschte davon.
    »Für mich ist Wodka auf Eis scharf. Erst dieser Tomatensaft macht ihn leicht.« Mit dem Fuß angelte sie einen Stuhl heran und streckte ihre Beine darauf aus, so daß sie Sonne bekamen. Da ihr das nicht bequem genug war, warf sie auch noch ihre Sandalen ab, lehnte sich zufrieden zurück und fragte: »Wann sind Sie angekommen? Ich habe Sie noch nie gesehen. Am Ende der Saison kennt man die meisten Gesichter.«
    »Erst heute morgen, aus New York. Ich möchte

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