Feuerball
offen waren und die Bomben fehlten. Er blickte in die offenen Behälter unterm Pilotensitz und suchte an anderen möglichen Stellen nach den Atomzündern. Aber auch sie waren fort. Schließlich, nachdem er unaufhörlich tastende Fühler mit dem Messer von seinen nackten Beinen hatte wegschlagen müssen, fühlte er, daß seine Nerven nicht mehr durchhielten. Er hätte noch vieles mitnehmen sollen: die Erkennungsmarken der Besatzung, die breiige Masse des Logbuches, Kontrolluhren vom Instrumentenbrett - aber er konnte keine Sekunde länger in dieser Katakombe aushalten. Er glitt durch den Notausgang und schwamm geradezu hysterisch auf den schmalen Lichtrand der Tarnplane zu. In seiner verzweifelten Hast verhedderte er sich mit dem Sauerstoffzylinder auf seinem
Rücken in den Falten der Plane und mußte noch einmal zurück, um sich zu befreien. Doch dann war er draußen in dem herrlich klaren Wasser und stieg zur Oberfläche auf. Bei sechs Meter mahnte ihn der Schmerz in den Ohren, daß er wegen des Druckausgleichs anhalten mußte. Ungeduldig starrte er auf den Rumpf des Wasserflugzeuges, über sich und wartete auf das Abklingen des Schmerzes. Dann war er oben, hielt sich an einem der Schwimmer fest und riß sich die Ausrüstung vom Körper, um mit ihr den Schmutz der Tiefe loszuwerden. Er ließ sie zurück ins Wasser klatschen und sah ihr nach, wie sie langsam auf den Sand hinuntersank. Dann spülte er sich den Mund mit dem angenehm salzigen Meerwasser und schwamm bis in Reichweite von Leiters ausgestreckter Hand.
18
Als sie sich Nassau wieder näherten, wollte Bond noch einen Blick auf die vor Palmyra liegende Disco werfen. Sie lag wieder an ihrem alten Platz, hatte aber nur den Buganker geworfen. Das Deck war leer. Plötzlich sagte Leiter aufgeregt: »Schau doch, James, dort am Strand, das Bootshaus bei dem kleinen Fluß! Siehst du die Doppelspur, die aus dem Wasser hinauf zur Bootshaustür führt? Sie ist sehr tief, das ist merkwürdig. Sieht aus, als hätte man dort was Schweres an Land gezogen. Woher sie wohl stammt?«
Bond bückte durchs Fernglas. Die Spuren waren parallel und zeigten, daß etwas Schweres zwischen Meer und Bootshaus gezogen worden war. Aber daher konnte es doch unmöglich sein! Gespannt sagte er: »Schnell weg von hier, Felix!«, und als sie schon landeinwärts brummten: »Verdammt, ich kann mir nicht vorstellen, woher diese Spur kommen soll! Wenn sie daher stammt . nein, da hätten sie sie sofort beseitigt.«
Leiter sagte lakonisch: »Jeder Mensch macht Fehler. Wir werden uns den Ort doch ansehen müssen. Hübsches Nest. Ich glaube doch, ich werde Mr. Emilio Largo beim Wort nehmen müssen und in Wahrnehmung der Interessen meines geschätzten Klienten, Mr. Rockefeller Bond, da hinausfahren.«
Es war ein Uhr, als sie auf Windsor Field aus der Maschine kletterten. Der Kontrollturm hatte sie schon seit einer halben Stunde über Funk gerufen. Jetzt mußten sie zum Flugfeldkommandanten. Glücklicherweise war der Adjutant des Gouverneurs da und gab dessen Blankovollmacht für die Kette von Untaten, deren sie sich schuldig gemacht hatten. Dann überreichte er Bond einen dicken Umschlag mit Funksprüchen für beide.
Der Inhalt begann mit den erwarteten »Zigarren«, weil sie nicht geantwortet und der Forderung nach weiteren Meldungen nicht entsprochen hatten. (»Die werden sie kriegen!« bemerkte Leiter, während sie in dem bequemen Rücksitz der Humberlimousine des Gouverneurs nach Nassau rasten.) Die Ankunft der Manta war für fünf Uhr nachmittags zu erwarten. Die Nachforschungen durch Interpol und italienische Polizei bestätigten alle Vermutungen: Giuseppe Petacchi war Dominetta Vitalis Bruder, ihre Lebensgeschichte stimmte, Emilio Largo war ein Abenteurer großen Stils und galt als verdächtig, wenngleich sein Polizeidossier nichts aufwies. Die Quelle seines Reichtums war unbekannt, jedenfalls nicht in Italien zu suchen. Die Disco war in Schweizer Franken bezahlt worden, und die Firma bestätigte den Einbau einer Unterwasserkammer mit elektrischem Hebezeug und einer Vorrichtung zum Aussetzen von kleinen Unterwasserfahrzeugen und Sporttauchern, angeblich zu Unterwasserforsch ungszwecken. Kotze hatte die Schweiz vor vier Wochen verlassen, Fotos von ihm waren auf dem Luftwege hierher. Aber trotz allem mußte die »Feuerball«-Befehlsstelle Largos Schatzgeschichte mangels konkreter Beweise anerkennen. Man würde also die Suche überall in der Welt fortsetzen, wenn auch mit Vorrang der Bahamas.
Weitere Kostenlose Bücher