Feuerbande
dann kriege ich nicht mal ein Dankeschön, sondern muss mich auch noch von Euch beschimpfen lassen?“ Ich sprang auf und wollte mich schon umdrehen, doch seine Hand hielt mich zurück. „Warte noch, Jennan.“
Seine Stimme klang wieder gelassener und holte mich dadurch ebenfalls auf den Boden zurück. „Was ich noch sagen möchte, ist, dass du dich selbst damit auch in große Gefahr gebracht hast. Die Burg ist in ziemlicher Aufregung, und Lord Raymon versucht noch immer, seinem Bruder Erklärungen für etwas zu liefern, das er selbst nicht begreifen kann, während Lady Elinor... na ja. Doch es gibt Menschen, die dich gesehen haben und die sich an dich erinnern werden. Was meinst du, wie lange es dauern wird, bis sie dich deiner Beschreibung nach ausfindig gemacht haben? Und dann? Alles wird auffliegen, und was dann passiert, kannst du dir wohl denken.“
Ich starrte düster vor mich hin und warf einen Stein in das Wasser des Baches. Sein Aufklatschen war eine Zeitlang das einzige Geräusch, das wir hörten, während ich daran dachte, wie Lord Hrothgars Männer kommen würden, mich zum Verhör auf die Burg zu bringen, während Aldric zweifellos Mittel und Wege fand, inzwischen unerkannt zu verschwinden. Wer würde mir glauben, wenn ich dort meine Geschichte erzählte? Niemand. Sie würden mich gefangen halten und nach Dingen und Verschwörungen befragen, von denen ich keine Ahnung hatte und ihnen daher auch nichts sagen konnte. Und deshalb würden sie Methoden anwenden, die alles andere als erfreulich sein würden. Im schlimmsten Fall würden sie es meine Familie büßen lassen und sie von ihrem Hof vertreiben oder das Dach ihrer Hütte niederbrennen, falls sie glaubten, sie wären ebensolche Verräter wie ich selbst.
„Ihr habt Recht“, sagte ich schließlich leise. „Ich werde eine Weile nicht zurück können. Doch was soll ich tun? Ich kann mich nicht immer versteckt halten, und von irgendetwas muss ich leben.“
Aldric stieß ein Geräusch aus, das klang wie ein verzweifeltes Seufzen. „Ich glaube, mir bleibt gar nichts anderes übrig. Du kannst nicht zurück, und ich schulde dir noch etwas. Wir leben in unserem Turm mehrere Tagesreisen von hier, meine Tochter und ich, außerhalb von Hrothgars oder Raymons Zugriff. Du kommst mit mir und kannst bei uns bleiben – zumindest, bis sich etwas Besseres findet.“
Ich starrte ihn an. „Ich – soll mit Euch...?“
„Du hast doch gar keine andere Wahl! Oder weißt du etwas anderes? Na also. Wäre vielleicht auch gar nicht so schlecht, etwas Hilfe könnte ich sowieso gebrauchen, und Arbeit gibt es genug zu tun. Falls du es schaffst, Anweisungen auch einmal zu befolgen und dein Temperament zu zügeln – dann könntest du dafür Dinge sehen, von denen du bisher auf deinem Acker nicht einmal zu träumen gewagt hast. Reisen, Geheimnisse, ein ganz neuer Anfang – bist du bereit, Frieden zu schließen?“
Er blickte mich abwartend an, seine Rechte ausgestreckt, und ich musste unwillkürlich an die Werber denken, die hin und wieder übers Land zogen und dumme Burschen zu Söldnern verpflichteten, damit sie sich gegenseitig für fremde Herren die Köpfe einschlugen, mit deren Händel sie gar nichts zu schaffen hatten. Doch blieb mir denn hier etwas anderes übrig? Zumindest wollte mir nichts einfallen, hier und jetzt unter dem Nachthimmel am Bach.
„An mir soll’s nicht liegen“, gab ich deshalb auf und ergriff seine Hand. „Also Frieden. Und ich komme mit Euch – nachdem wir es meiner Familie erzählt haben. Ich werde sie nicht einfach so im Stich lassen, ohne Abschied und ohne Erklärungen.“
Er sah nicht gerade begeistert aus, doch er nahm sich sichtlich zusammen. „Einverstanden“, sagte er.
Mir schwirrte der Kopf, als wir im Morgengrauen aufbrachen, die vielen Abschiede im Gedächtnis, die verrückte Geschichte des vergangenen Tages. Mein Herz war schwer, und doch, ein kleiner Funken begann zu pulsieren, etwas wie Abenteuerlust...
Und bald würde nur noch eine Spur durch das taufeuchte Gras verraten, dass hier zwei Menschen und ein Maultier gegangen waren, eine Spur, die verwischen würde, wenn sich die Halme wieder aufrichteten, so, als hätten sie niemals anders gestanden.
Feuerbande
Die Zeit rückt näher, und ich weiß es.
Lange habe ich gekämpft, doch nun bin ich alt und müde geworden, und ich werde nicht länger aufbegehren. Ich werde denen folgen, die vor mir gingen, und ich überlasse das Land denjenigen, die in
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