Feuerbande
zu weinen.
Wir verließen die Hütte im Morgengrauen, und sie verschwand mit den Nebeln über den Wiesen, um wieder Teil des Waldes zu werden, aus dem sie einst geboren war. Ein Teil meines Selbst ist mit ihr verschwunden, und ich muss nun lernen, mit dem Rest zu leben, wenn ich nicht verrückt werden will in einer Welt, die nie die meine gewesen ist. Es ist noch ein weiter Weg bis zum Dorf dieses Mannes, der mich begleitet, und wenn wir es erreicht haben werden, werden wir zusammengehören, auch wenn er es noch nicht weiß. Vielleicht werde ich wieder ganz sein, eines Tages, und vielleicht bin ich es auch nie gewesen, so dass es neu sein wird für mich. Ich fühle mich haltlos wie ein Blatt im Wind, und ebenso wenig Kraft ist in mir. Doch vielleicht wird all das einmal anders sein, in einer Zukunft, die ich noch nicht ermessen kann.
Noch bewege ich mich wie in einem Traum. Was ist wirklich, was ist es jemals gewesen? Nie war ich so auf mich gestellt, und der verlorene Teil fehlt mir so, dass es mich fast zerreißen will. Doch mit jedem Schritt, den wir die Lichtung hinter uns lassen, dringt etwas Neues in mich ein, um diese Leere auszufüllen, um Vergessen zu schenken, bis Anderes entsteht. Manchmal, wenn wir Halt machen, um zu rasten, zu essen oder uns schlafen zu legen, spüre ich, wie die Blicke des Mannes auf mir liegen und er zu ergründen versucht, was er nicht verstehen kann. Wir werden viel Zeit brauchen, uns aneinander zu gewöhnen.
Ich hoffe, Kaythla ist glücklich dort, wo sie jetzt ist.
Die Welt ist eine andere geworden.
Ein Märchen vom Wind
Einst lebte ein König in einer Burg mit hohen Türmen und starken Mauern. Er war stolz auf sein Königreich, auf seine Macht und auf die Schönheit seiner Tochter, der Prinzessin. Abends stand er auf den Zinnen der Burg und schaute zufrieden über das Land, und wenn ein Sturm aufkam, so lachte er und spottete, dass dieses laue Lüftchen ihm doch nichts anhaben konnte.
„Selbst der Wind muss vor mir weichen“, triumphierte er in solchen Momenten. „Ganz beschämt muss er um meine Mauern herumkriechen. Was schert mich der Wind? Ich bin stärker als er! Hört nur, wie er winselt!“
Doch der Sturm trug seine Worte fort und brachte sie zur Herrin der Winde, die darüber sehr erzürnte. „Wie kann er es wagen, meiner zu spotten!“, rief sie aus und ließ dabei wilde Böen toben. Und dann schickte sie eine Dienerin, die dem König ausrichten sollte, dass sie ihn bei seinem nächsten Frevel die Macht des Sturms spüren lassen würde.
Das Mädchen bestieg eines der windgeborenen Pferde und preschte ohne Rast davon, bis sie die Burg des Königs erreichte. Dort ritt sie mitten in die Halle hinein, geradewegs vor den Königsthron.
Der König saß gerade mit seinen Ratgebern zusammen, und auch seine Tochter war bei ihnen. Alle sprangen entrüstet auf, und die Wachen eilten herbei, den fremden Eindringling festzunehmen. Aber der König winkte ab, denn einen so seltsamen Boten und ein ebenso merkwürdiges Pferd hatte er noch nie zu Gesicht bekommen.
„Was willst du?“, fragte er neugierig. „Doch wenn es nichts von Wichtigkeit ist, sei gewarnt, denn für deinen Übermut könnte ich dich in Ketten legen lassen.“
Das Windmädchen senkte weder sein Haupt noch den Blick. „Ich bringe Botschaft von meiner Herrin, die über die Winde gebietet. Hört auf, ihrer zu schmähen und zu spotten, sonst wird sie es euch übel vergelten.“
„Du wagst es, mir zu drohen?“ Der König wusste nicht, ob er verärgert oder belustigt sein sollte. „Mir ist es gleich, wer deine Herrin ist, sie hat keine Macht über mich und über meine Worte, die ich setzen kann, wie es mir beliebt. Und bevor du zu ihr zurückkehren wirst, verweile ein paar Tage auf dieser Burg, damit du dir selbst ein Bild von mir und meiner Stärke machen kannst, um ihr dann davon zu berichten.“
Das Windmädchen wollte sich gerade wieder wortlos auf den Rücken seines Pferdes schwingen, als es den Blick der Prinzessin auffing, die es unverhohlen anstarrte. Die Prinzessin trug ein Kleid aus weichen, fließenden Stoffen, wie sie das Windmädchen noch nie gesehen hatte, ihr Haar war lang und hell und hübsch gekämmt, und ihre Augen schauten blau und freundlich. Der Anblick machte das Windmädchen neugierig. Wie konnte eine junge Frau so anders leben als sie selbst, ein Leben, ohne sich bewegen zu können, wie man wollte, ohne davonreiten zu können, wenn es einem gefiel, ohne sich wild und gut
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