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Feuerbande

Feuerbande

Titel: Feuerbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Otten
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hier befand, in dieser kleinen Hütte im Wald, obwohl man sich sichtlich darum bemühte, das so auf ihn wirken zu lassen.
    Der Raum war eine kleine Kammer, die von einem eigenartigen Licht erhellt wurde, das von einem Lager ausging, auf dem etwas – jemand? – ruhte. Das Licht warf wabernde Schatten an die Wände, die dadurch eine eigenartige Färbung erhielten; einmal erinnerten sie an weiche Stoffbahnen, die der Wind bewegte, dann wiederum an milchiges Glas oder einen Vorhang aus dichtem Herbstregen. Joris wagte nicht, sie zu berühren, obwohl er bezweifelte, dass er es überhaupt konnte.
    Das Licht blendete seine Augen, so dass er die Gestalt im Zentrum des Lagers nicht erkennen konnte, obwohl er wusste, dass er für sie um so deutlicher auszumachen war. Die Frau an seiner Seite verneigte sich tief, ohne sich dabei zu bewegen – wie war das möglich? -, und er sah einen schwachen Abglanz der Helligkeit in ihren Augen, als sie sprach, ohne ihre Lippen zu öffnen.
    „Herrin? Was ist mit Euch, Herrin?“
    Sie schien seine Anwesenheit vergessen zu haben, und Joris vermeinte, Besorgnis aus dieser Stimme – Stimme? – zu hören, Verwirrung – und Angst. Er wusste nicht, was von ihm erwartet wurde, versuchte, selbst etwas zu sagen und stellte fest, dass er es nicht konnte. Hier, an diesem Ort, galten andere Gesetze. Wie war es der Frau gelungen, zu reden?
    Plötzlich schien das Licht auf ihn zuzujagen, und mit einem Aufschrei – hatte er wirklich geschrieen? – fühlte er es brennend heiß in sich eindringen. Tränen schossen ihm in die Augen, und gerade, als er erneut aufschreien wollte, erinnerte ihn eine sanfte Stimme: „Lass es geschehen.“
    Er keuchte, schloss die Augen, spürte das Feuer durch seine Adern pulsieren – und ihn ebenso plötzlich wieder verlassen, wie es gekommen war. Das Licht war verschwunden, doch er fühlte sich seltsam leicht. Und auf dem Lager sah er sie, Kaythla die Alte, und sie blickte ihn aus dunklen, tiefen, unendlichen Augen an.
    „Es ist gut, dass du gekommen bist.“ Die Worte vibrierten in seinem Innern. „Und es ist gut, dass die Flamme deines Zorns sich nicht mit der meinen messen will, denn nur so können wir beide leben, Hüter des Feuers, Herr der Glut.“
    Noch immer stand er ohne Worte. Wie hatte er sich Kaythla vorgestellt, wie die Begegnung mit ihr geplant? Er fühlte in sich hinein und fand dort nichts mehr – als hätte die reinigende Kraft des Feuers alles ausgebrannt, was ihn mit seinen alten Gedanken verband. Sie besaß einen mächtigen, schuppigen Leib in einem dunklen Ton wie das Moos des Waldes, und wie der Morgentau darin schimmert, so glänzten auch die Schuppen bei jeder ihrer Bewegungen. Ihr Kopf mit der schmalen, echsenartigen Schnauze ruhte auf einem langen Schwanz, und ihre Flügel waren zusammengefaltet immer noch beeindruckend genug. War dies ihre wahre Gestalt – oder auch nur etwas, das sie ihn sehen lassen wollte, wie diesen seltsamen Raum um sie her?
    „Herrin?“
    Kaythla hob ihren Kopf leicht an, und es war, als lächelte sie, als sie die Frau mit einem fast liebevollen Blick bedachte. Joris schien es, als würden die beiden eine geheime Zwiesprache halten, an der sie ihn nicht teilhaben lassen wollten, und dann sah er, wie die Frau neben ihm weinte, spürte ihre Verwirrung und Angst.
    Die Stimme der Alten rollte erneut durch ihn hindurch. „Ich habe noch nie einen Menschen um etwas gebeten, doch jetzt bitte ich dich: kümmere dich um Jacyntha. Bring sie zu Menschen, die es gut mit ihr meinen. Sie darf mir nicht dorthin folgen, wohin ich jetzt gehe. Es wird das Letzte sein, das ich von Deinesgleichen erbitte. Wirst du mir dieses Versprechen geben?“
    Zu seiner Überraschung hörte Joris seine Worte, die es ihm nun mühelos gelang, hervorzubringen: „Ich schwöre es bei dem Feuer, das uns verbindet.“
    Sie nickte zufrieden, und ein sanfter Schimmer breitete sich um sie herum aus, ließ das dunkle Moosgrün zu Smaragd und dann zu einem Graston werden. War es überhaupt vergleichbar mit etwas, das er kannte? Das Grün schien alle Konturen zu verwischen, verschmolz mit den Wänden, verschmolz mit dem Raum...
    Mit einem harten Ruck fand er sich in der Hütte wieder, als hätte er sie nie verlassen, und Jacyntha stand neben ihm. Sie blickte ihn mit Augen an, die nun waren wie die jeder anderen Frau – nur beseelt mit einer tiefen Angst, die ihren ganzen Leib zittern ließ.
    „Sie ist fort“, flüsterte sie, und dann begann sie, haltlos

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