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Feuerbande

Feuerbande

Titel: Feuerbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Otten
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Sicherheit.“
    Ich starre sie noch immer an, sprachlos. Ist es mir so wenig gelungen, meine Gedanken für mich zu behalten? Und können sie wirklich so gefährlich sein?
    „Ricas Eltern haben Nachforschungen angestellt, über dich und über deine Eltern, natürlich. Sie haben Erstaunliches herausgefunden.“ Der Mund macht eine kleine, dramatische Pause, als würde er das, was noch kommen würde, genießen. „Da du ein kluges Mädchen bist, weißt du sicher auch um die Wichtigkeit der vorgeburtlichen Gendiagnostik. Nur so konnten im Laufe der Zeit viele unerwünschte Eigenschaften ausgelöscht werden, zusammen mit den meisten Krankheiten. Nur das hat unser heutiges friedliches, gesundes Zusammenleben möglich gemacht.“
    Ich nicke, weil ich noch immer nicht verstehe, was hier eigentlich gerade geschieht.
    „Eine Zellanalyse und nötigenfalls Ausmerzung ungünstiger genetischer Anlagen im Labor, bevor die befruchtete Eizelle eingesetzt wird, ist daher grundlegend für unsere Gesellschaft. Und Voraussetzung für die Aufnahme an dieser Schule.“
    „Ich weiß“, sage ich, vollkommen verwirrt. „Meine Eltern haben Ihnen doch das Dokument vorgelegt, damals, bei der Anmeldung.“
    „Es war gefälscht.“ Genüsslich schnalzt der Mund mit der Zunge. „Ricas Eltern haben herausgefunden, dass du ein unkontrolliertes Endprodukt bist – und damit natürlich illegal. Eine tickende Zeitbombe, sozusagen. Du musst uns verlassen, Sarah. Sofort.“
    Und während das Eiswasser in meinem Magen eine dünne Wand aus Frost hochzieht, zwischen mir und der Außenwelt, zwischen mir und dem Leben, das ich bisher kannte, höre ich noch, wie die Direktorin aufsteht und mit der flachen Hand auf den Schreibtisch schlägt.
    „Wildwuchs können wir hier nicht dulden.“
     
    Rica ist noch unten mit den anderen. Ich packe schnell meine Sachen in unserem Zimmer zusammen. Ich weiß nicht, wo meine Eltern sind, sie werden mich nicht abholen können, denn sie haben ja gegen die Regeln verstoßen und die Gesellschaft in große Gefahr gebracht. Wenn man sie findet, wird man sie verhaften.
    Ich weiß nicht, wo ich hingehen soll, aber ich muss fort, ehe andere das entscheiden. Ich verstecke mich in einem Nebenraum, bis alle aus der Botanikstunde zurückgekommen sind, dann husche ich hinaus und grabe den fremden Setzling aus der Erde. Ich wickle ihn in ein Taschentuch, befeuchte es und stecke es ein.
    Mir ist kalt und ich zittere, als ich hinüber zum Ausgang gehe. Ich bin ein Schmetterling, sage ich mir. Ich werde fliegen, über Blumenfelder und wilde Wiesen. Ich werde meine schillernden Flügel ausbreiten und alles hinter mir lassen, was mich in meinen Glaskasten gebannt hat, zur Regungslosigkeit verdammt, erstarrt in der Zeit.
    Tief durchatmend trete ich hinaus, in die Welt jenseits der Mauern.
     

Amida
     
    Amida hockte an der weißen Mauer, die den oberen Rundgang des Palastes umgab, und stützte ihren Kopf in die Hand, während ihr Blick in die Ferne schweifte und ihre Gedanken mit ihm davonflogen wie kleine weiße Wolken im Wind.
    Wie lange noch? Wie lange schon?
    Zeit hatte hier keine Bedeutung.
     
    Hungrig war sie gewesen, als ihr Blick auf den Baum mit den Früchten fiel, damals, als sie auf der Rückkehr von einem Verwandtenbesuch durch das Tal wanderte. Sie hatte niemandem schaden wollen, nur ihren quälenden Hunger stillen, denn der Weg nach Hause war noch weit. Die Früchte schienen zu locken und zu rufen, und ihre Füße wanderten wie von selbst, sie hatte gar nicht mehr anders gekonnt.
    Ehe sie sich’s versah, hatte sie auch schon eine der saftigen Früchte in der Hand gehalten, hatte hineingebissen und ihren köstlichen Geschmack in sich aufgenommen. Und im nächsten Augenblick hatte sie gemerkt, dass sie nicht mehr allein gewesen war, sich hastig umgedreht – und ihn gesehen.
    Ihn, den Yaksha.
    Jeder hier wusste, was ein Yaksha war, und er hatte genau so ausgesehen, wie die Leute im Dorf es sich erzählten. Wirres, zotteliges Fell, rote Augen, wilder Blick, gefletschte Zähne wie die eines Hundes. Sie hatte wie erstarrt dagestanden und sich nicht mehr rühren können.
    „Du hast meinen Baum entweiht und dir genommen, was mir gehört“, war es knurrend aus seiner Kehle gekommen. „Dafür nehme ich mir jetzt dich. Du wirst mir dienen, so lange ich will.“
     
    Seitdem war sie hier in seinem Palast, gefangen zwischen den Zeiten und Welten.
    Sie war nicht die Einzige, die hier lebte, aber die einzige Menschenfrau unter all

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