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Feuerbande

Feuerbande

Titel: Feuerbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Otten
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herangereift. Wir wollten warten, bis er ein kräftiger Jungbaum geworden ist, bevor wir das Risiko eingehen würden, dich wieder zu uns zurückzuholen. Aber die Zeit haben wir jetzt nicht mehr. Wir können nicht mehr so lange warten.“
    Einen Moment saßen wir schweigend da. Die Zeit dehnte sich aus und zog sich zusammen. Ich fühlte mich wie in einem Traum, und ein Traum war ja auch das Leben gewesen, das ich bisher für das meine gehalten hatte.
    Vielleicht war ich jetzt doch verrückt. Nur diese Hände um mein Gesicht, die waren real. Sie waren...
    Pock.
    Wir zuckten zusammen und blickten gleichzeitig zum Fenster hinüber. Inzwischen dämmerte es schon, aber noch gab es genügend Licht, um den schwarzen Vogel deutlich zu erkennen, der draußen auf der Fensterbank saß. Sein Schnabel, mit dem er gegen die Scheibe hackte, war ungewöhnlich groß und scharf. Ich konnte eine Kratzspur sehen, die er im Fensterglas hinterließ.
    Pock. Pock.
    Die Scheibe begann diesmal zu zittern.
    „Wir müssen fort von hier“, drängte Asc. „Ich kann mit ihm kämpfen, aber meine Magie hat sich nach der Heilung heute noch nicht wieder vollständig aufgebaut. Es ist zu unsicher, Iwa. Wir müssen fort. Wir brauchen die anderen.“
    Pockkk.
    Mit einem hässlichen Knirschen durchdrang die Schnabelspitze die Scheibe, steckte in einem winzigen Loch, von dem aus sich ein Muster aus Sprüngen weiter durch das Glas hinzog.
    „Wie können wir fort?“, fragte ich entsetzt und sprang auf. „Er wird uns doch draußen überall erreichen. Wo können wir vor ihm sicher sein?“
    Asc stellte sich neben mich und legte mir seine Hände auf die Schultern. „Sieh mich an, Iwa“, sagte er fest. „Achte nicht auf Bocca da draußen. Sieh mich an und erinnere dich an das, was du bist. An das, was du kannst. Nur du kannst unseren Weg zurück öffnen. Nur du kannst uns nach Hause bringen.“
    „Aber...“, wollte ich einwenden, doch die Worte erstarben in meiner Kehle. Mein Blick traf auf Ascs sanfte Augen, und seine Zuversicht darin ließ alles andere unwichtig werden. Seine Hände ruhten auf meinen Schultern, seine Wärme floss durch mich hindurch, und seine Augen hielten meinen Blick, ließen nicht los, würden es nicht, was immer auch geschehen mochte.
    Wärme. Liebe. Du musst dich erinnern, Iwa. Erinnere dich.
    Die Wärme, die durch meine Adern pulsierte, war grün . Diese Erkenntnis überraschte mich, und eines der Fenster in meinem Inneren ging auf, ließ einen gelben Strahl aus weichem, pulsierendem Licht herein. Ich badete in seiner Helligkeit, ließ sie um meine Finger spielen, spürte, wie sich etwas veränderte. Spürte, wie sie sich ihren Weg hinaus suchte, hinüber zu den Topfpflanzen sprang. Spürte, wie sie sie begrüßte, sich mit ihnen verband. Wie sich etwas... bewegte.
    Mit einem hässlichen Klirren löste sich die Scheibe aus dem Wohnzimmerfenster, zersplitterte in unzählige Glaskristalle, die durch die Luft stoben, und mitten zwischen ihnen flatterte der Rabe. Sein Ruf war laut und rau und triumphierend, ein Schatten in einem irrwitzigen Schauer aus Glas – und Grün.
    Nur noch undeutlich nahm ich wahr, wie sich die Ranken des Zimmerefeus quer durch den Raum schoben, vermischt mit dem dichten Laub von Ficus und Aralie. Farnwedel schossen wild dazwischen, verwoben sich mit dem restlichen Grün zu einem dicken, undurchdringlichen Teppich, der uns vor Boccas Blicken verbarg. Das letzte, was ich von ihm sah, war eine dicke Ranke, die sich um seinen Hals geschlungen hatte. Dann gab es nichts mehr, nur Grün und Gold, nur mich und Ascs uralte Augen.
    Durch das Licht, das durch mein inneres Fenster fiel, konnte ich eine Tür ausmachen, konnte ihre wartenden Umrisse deutlich vor mir erkennen. Ich bewegte mich darauf zu und war doch gleichzeitig im Wohnzimmer bei Asc, hielt ihn ebenso fest wie er mich, als ich meine Hand auf das Türblatt legte. Langsam, langsam bewegte sie sich...
    „Lass uns gehen“, lachte Asc. „Der Schößling wird reichen. Ich hatte ganz vergessen, wie stark du bist.“
    Dann drückte er mich an sich und hielt mich fest, während mich grüngoldene Stürme durchtosten und ich die innere Tür mit einem einzigen Schwung weit aufstieß.
    Gemeinsam schritten wir hindurch, hinein in unser neues Leben, in dem wir wieder zusammen sein konnten.
     

Das Ende des Kattenhofs
     
    Wenn man klein ist, hat man es nicht leicht. Ich meine, was nützen einem gewisse magische Kräfte, wenn dir plötzlich die Stiefel eines

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