Feuereifer
ist?«
Sie wandte sich wieder mir zu. »Ich weiß nicht genau, aber sie ist in die Schule gegangen und 'ne Stunde später wiedergekommen. Dann hat sie ihre Zahnbürste in ihren Rucksack gepackt und noch ein paar andere Sachen, Pyjama und so. Als ich sie gefragt hab, wo sie hin will, hat sie gesagt, zu April, aber ich weiß genau, wenn Josie lügt. Und April ist erst heute aus dem Krankenhaus rausgekommen. Mrs. Czernin hätte nicht erlaubt, dass Josie sie besucht, wo April noch so krank ist.«
»Hast du eine Ahnung, wo die beiden stecken könnten, Billy und Josie?«
Julia schüttelte den Kopf. »Ich weiß bloß, dass er sie nicht mit nach Hause nehmen würde, Sie wissen schon, das große Haus, wo er mit seiner Ma und seinem Dad wohnt, weil die ja nicht wollen, dass er sich mit 'nem mexikanischen Mädchen trifft.«
Ich redete noch ein Weilchen mit ihr, aber sie schien mir alles gesagt zu haben. Zum Abschied drückte ich ihr noch mal die Hand und sagte: »Wir sehen uns am Donnerstag um drei in der Sporthalle, Julia. Hast du's dir gemerkt?«
Sie flüsterte etwas, das man als Zustimmung deuten konnte. Als ich aufstand, sah ich einen Schatten hinter der Babykleidung auf der Wäscheleine: Rose hatte gelauscht. Nun, vielleicht war das ganz in Ordnung. Vielleicht erfuhr sie auf diesem Wege endlich ein paar wichtige Dinge über ihre Töchter.
26
Annie, Get Your Gun
Ich rieb mir mit den Handballen die Augen. »Angenommen, Billy und Josie verkriechen sich irgendwo hier unten. Dann könnten wir sie vielleicht durch seinen kleinen Sportwagen finden, falls er den auf der Straße geparkt hat.« Ich rechnete im Kopf. »Wir müssten an die siebzig Kilometer Straßen abklappern; könnten wir in vier Stunden schaffen. Wenn wir die kleinen Straßen weglassen, schaffen wir's schneller.« Mr. Contreras und ich saßen im Mustang, in dem wir Zuflucht gesucht hatten vor Roses Gefühlsausbrüchen. Noch bevor ich das Schlafzimmer der Mädchen verlassen hatte, machte sie Julia schon Vorhaltungen, weil sie ihrer eigenen Mutter verschwiegen hatte, was sie aber mir erzählte. »Hab ich dich zur Lügnerin erzogen?«, schrie sie. Dann fuhr sie herum und befahl, dass ich auf der Stelle nach Josie suchen sollte. »Und wo soll ich wohl suchen, Rose?«, erwiderte ich müde. »Es ist Mitternacht. Sie sagen, bei April sei sie nicht. Zu welchen Freundinnen könnte sie noch gegangen sein?« »Ich weiß nicht, ich kann nicht denken. Sancia vielleicht? Aber Sancia war eigentlich Julias Freundin, obwohl sie und Josie... «
»Ich werd es bei Sancia versuchen«, unterbrach ich sie, »und bei den anderen Mädchen aus der Mannschaft. Was ist mit Verwandten? Hat sie Kontakt zu ihrem Vater?« »Ihrem Vater? Diesem gamberro? Der hat sie zum letzten Mal gesehen, als sie zwei war. Ich weiß nicht mal, wo der jetzt wohnt.«
»Wie heißt er? Manchmal treffen sich Kinder auch heimlich mit ihren Vätern.« Als Rose sofort widersprach - Josie würde nie etwas heimlich tun -, wies ich sie daraufhin, dass Josie auch heimlich abgehauen war, worauf sie widerwillig den Namen des Mannes herausrückte: Benito Dorrado. Als sie ihn vor acht Monaten zuletzt gesehen hatte, saß er mit einer zugemalten puta in seinem Eldorado. Ich hörte Julia im Bett entsetzt keuchen ob der Wortwahl ihrer Mutter.
»Gibt es sonst noch Verwandte? Haben Sie Brüder oder Schwestern in Chicago?«
»Mein Bruder wohnt in Joliet. Den hab ich schon angerufen, er hat nichts von ihr gehört. Meine Schwester lebt in Waco in Texas. Sie glauben doch nicht...«
»Rose, Sie sind durcheinander und drehen sich im Kreis. Hat Josie ein enges Verhältnis zu Ihrer Schwester? Glauben Sie, dass Josie Billy dazu überreden würde, sechzehnhundert Kilometer zu ihr zu fahren?«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ich will nur mein Kind wiederhaben.« Rose brach in Tränen aus, schluchzte so gequält, wie es Menschen tun, die sich solche Ausbrüche nur selten erlauben.
Mr. Contreras tröstete sie mit fast derselben beruhigenden Sprache wie zuvor die Kleine. »Geben Sie uns etwas, das dem Mädchen gehört, ein T-Shirt oder irgendetwas, das nicht gewaschen ist. Mitch hier kann dann die Fährte aufnehmen und sie finden, Sie werden schon sehen.«
Die beiden Jungen hatten sich auf ihren Luftmatratzen aufgerichtet und starrten Rose mit großen, ängstlichen Augen an. Ihre verschwundene Schwester war schon Aufregung genug, und nun brach auch noch ihre Mutter zusammen. Um alle zu beruhigen, versprach ich, mich noch heute
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