Feuereifer
könne.
»Ich möchte, dass ein Experte sich die Kabel ansieht. Vielleicht kann man feststellen, wo das Feuer ausbrach und weshalb. Die Polizei überschlägt sich nicht gerade in dieser Sache.«
Und weshalb sollte ich das wohl tun, für noch weniger Geld, als die Cops bekamen? Ich stellte mir die Unterhaltung mit meiner Steuerberaterin vor. Weil ich in meiner Berufsehre gekränkt war: Ich befand mich vor Ort, als die Fabrik in Flammen aufging. Was hätte ich bemerken müssen, wenn ich aufmerksamer gewesen wäre? Cheviot hatte natürlich jemanden zu bieten, und Rieff versprach, der Expertin Bescheid zu sagen, damit sie sich bei mir meldete. Doch ich sollte vielleicht wissen, dass die Firma zweihundert Dollar die Stunde für sie berechnete. Das war in der Tat gut zu wissen; es war gut zu wissen, dass ich Tausende von Dollar in eine Ermittlung investierte, mit der mich niemand beauftragt hatte, während ich unterdessen die Arbeit vernachlässigte, mit der ich mein Geld verdiente.
Wenn ich die drei Hintergrundrecherchen für Darraugh Graham, meinen wichtigsten Klienten, nicht bald fertig stellte, würde ich in Kürze auf der Straße leben und Katzenfutter zu mir nehmen, und zwar nicht die gute Sorte. Ich klopfte mir mit dem Bleistift an die Zähne und überlegte, wie ich das alles bewerkstelligen sollte, als mir plötzlich Amy Blount einfiel. Sie hatte vor etwa einem Jahr ihren Doktor in Wirtschaftsgeschichte gemacht; während sie nach einer festen Unistelle Ausschau hielt, erledigte sie neben anderen Jobs auch manchmal Recherchen für mich. Erfreulicherweise hatte sie tatsächlich Zeit und war bereit, mir ein paar Tage im Büro unter die Arme zu greifen. Wir verabredeten uns für neun Uhr am nächsten Morgen, um die liegengebliebenen Fälle in Angriff zu nehmen.
Nach dem Anruf tigerte ich ziellos in dem großen Raum umher. Wer hatte es auf Marcena abgesehen und warum? Hatte man Bron wegen ihr getötet, oder war sie wegen ihm in diesem schlimmen Zustand? Morrell hatte im Gespräch mit Conrad erwähnt, dass Marcena sich seit der Begegnung mit Buffalo Bill Bysen bei der Gebetsstunde vor zwei Wochen mehrmals mit dem alten Mann getroffen hatte. Vermutlich hatte sie die erfundene Kriegsgeschichte ihres Vaters als Eisbrecher benutzt, aber vielleicht war sie auch auf etwas Wichtiges gestoßen. Buffalo Bill war unangekündigt in meiner Wohnung und beim Gottesdienst in Mount Ararat aufgetaucht, ich konnte also ebenso gut nach Rol ling Meadows fahren und ihm einen Spontanbesuch abstatten. Der Gedanke war verlockend, aber ich wusste nicht genug, um sinnvolle Fragen zu stellen. Es gab eine Verbindung zwischen Fly the Flag und By-Smart, weil das kleine Unternehmen zuerst Flaggen und nun Wäsche für den Giganten herstellte. Ich fragte mich, ob Buffalo Bill sich auch mit Details abgab und sich Wäschemuster ansah, oder ob das ausschließlich in Jacquis Händen lag. Mit der konnte ich jedenfalls mal reden. Zwischen Bron, Marcena und Billy the Kid gab es eine Verbindung, weil Billy Bron sein Handy gegeben hatte und weil Morrells Thermosflasche, die er Marcena geliehen hatte, in Billys Wagen aufgetaucht war. Die Verbindung zwischen Billy und Fly the Flag bestand aus der Tatsache, dass Billy in Josie verliebt war. Und mit ihr durchgebrannt war. Das hoffte ich zumindest. Ich hoffte inständig, dass sie mit ihm zusammen war und nicht... weitere Gedanken untersagte ich mir, weil ich mir die schrecklichen Alternativen nicht vorstellen mochte.
Wo steckten die beiden Kids? Vielleicht hatte Josie sich April anvertraut. Ich griff nach dem Telefon, um Sandra Czernin anzurufen, beschloss aber dann, dass es einfacher war, mit ihr persönlich zu reden, vor allem, wenn ich mit ihrer Tochter sprechen wollte. Ich war Sandra ohnehin einen Besuch schuldig, da ich ihren toten Mann gefunden hatte. Und ich wollte mit Pastor Andres sprechen. Es wurde Zeit, dass er mir ein paar Fragen beantwortete. Wie zum Beispiel: Hatte der chavo etwas mit dem Brand zu tun? Wo war der Typ zu finden? Dann würde ich meinen Ausflug nach South Chicago mit einem Besuch bei Patrick Grobian abschließen - kurz bevor Billy verschwunden war, hatte er sich noch mit dem Geschäftsführer des Lagerhauses getroffen. Ich verstaute meine ordentlich beschrifteten Hefter in einer Schublade und packte alles zusammen, was ich für einen Nachmittag in der Kälte benötigte. Dann zog ich einen Parka an, der unförmiger und weniger kleidsam war als meine Seemannsjacke, aber besser geeignet,
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