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Feuereifer

Feuereifer

Titel: Feuereifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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teilnahmslos mit seinen und Sancias Kindern während des Trainings auf der Tribüne hockte. Die anderen vier hatte ich noch nie gesehen, aber Josie kannte sie. Sie riefen ihr irgendwas Anzügliches zu, das ich bei dem Gedröhne nicht verstehen konnte. Josie schrie: »Passt bloß auf, wenn Pastor Andres vorbeikommt, macht er euch die Karre noch mal platt.«
    Die Typen schrien irgendwas zurück, und als Josie Anstalten machte, sich auf ein Handgemenge einzulassen, schob ich sie weiter zur Haustür. Das Wummern verfolgte uns, während wir die Treppe zum zweiten Stock hochstiegen. Als Josie die Wohnungstür im hinteren Teil des Hauses aufschloss, spürte ich die Bässe noch im Bauch. Wir landeten direkt im Wohnzimmer, wo ein junges Mädchen in Babydoll-T-Shirt und Slip auf der Couch saß und gebannt auf den Fernseher blickte. Dabei aß sie mechanisch Chips aus einer Tüte auf ihrem Schoß. Auf einem Kissen mit Plastikbezug neben ihr lag ein Kleinkind und starrte an die Decke. Einziger Dekor im Raum waren ein großes, schlichtes Kreuz an der Wand und ein Bild von Jesus, wie er gerade eine Gruppe Kinder segnete.
    »Julia! Die Trainerin ist hier, weil Ma mit ihr sprechen will«, rief Josie. »Wieso sitzt du hier mitten am Tag halbnackt rum?«
    Als ihre Schwester nicht reagierte, marschierte Josie zu ihr und nahm ihr die Chipstüte weg. »Steh auf! Raus aus der Traumwelt, ans Tageslicht. Ist Mam zu Hause?«
    Julia beugte sich vor und starrte auf den Bildschirm, auf dem eine Frau in einem roten Kleid gerade ein Zimmer im Krankenhaus verließ und von einem Mann zur Rede gestellt wurde. Die Unterhaltung - auf Spanisch - hatte etwas mit der Frau in dem Krankenzimmer zu tun. Josie stellte sich vor den Fernseher. »Du kannst Mujer morgen und übermorgen wieder gucken. Zieh dir was an! Ist Ma zu Hause?«
    Julia erhob sich verdrossen. »In der Küche. Macht die Flasche für Maria Ines. Nimm Maria Ines mit raus, ich zieh mir meine Jeans an.«
    »Ich bin mit April verabredet, wir müssen für ein Projekt in Naturwissenschaften arbeiten. Ich kann nicht hierbleiben und mich um dein Baby kümmern«, erwiderte Josie und nahm die Kleine hoch. »Tut mir leid, Coach«, sagte sie über die Schulter. »Julia lebt in dieser Telenovela. Sie hat sogar die Kleine nach einer Figur daraus genannt.« Ich folgte ihr durch einen Torbogen in einen Raum, der offenbar als Ess- und Schlafzimmer zugleich fungierte: Am einen Ende eines alten Holztischs lagen ordentlich gefaltete Laken, am anderen waren Teller und Besteck aufgetürmt. Unter dem Tisch sah ich zwei Luftmatratzen und eine Kiste mit Power Rangers und anderen Action-Spielsachen, die wohl Josies Brüdern gehörten.
    Julia drängte sich an uns vorbei in ein Zimmer, das auf der linken Seite des Flurs lag. Darin standen zwei ordentlich gemachte Betten mit Sternenbanner-Bettwäsche, was ich erstaunlich fand. So viel Patriotismus hatte ich bei den Dorrados nicht erwartet. Die beiden Betten waren mit einer Wäscheleine umspannt, an der Babykleidung befestigt war. An einer Wand hing ein Poster vom Basketball-Team der University of Illinois - Josies Seite des Zimmers. Fast alle Mädchen aus der Mannschaft verehrten die Spielerinnen der U. of I., denn dort hatte Mary Ann McFarlane studiert. Die kleine Wohnung war vollgestopft, aber ordentlich.
    Wir kamen in die Küche, die nur Raum für eine Person bot. Sogar hier hinten hörte man noch das Dröhnen der Bässe aus den gigantischen Lautsprechern. Josies Mutter wärmte eine Babyflasche in einem Topf. Als Josie mich vorstellte, wischte sich ihre Mutter die Hände an ihrer weiten, schwarzen Hose ab und entschuldigte sich mehrmals dafür, dass sie mich nicht im Wohnzimmer empfangen hatte. Sie war klein, hatte leuchtend rote Haare und sah ihrer großen, schlaksigen Tochter so wenig ähnlich, dass ich sie im ersten Moment verdattert anstarrte.
    Als ich beim Händeschütteln Ms. Dorrado zu ihr sagte, meinte sie: »Nein, nein, nennen Sie mich Rosie. Josie hat mir nicht gesagt, dass Sie heute kommen würden.« Josie überhörte den indirekten Vorwurf und reichte ihr das Baby. »Ich kann nicht aufs Kind aufpassen. April und ich haben lange trainiert, und jetzt müssen wir an unserem Biologie-Projekt arbeiten.«
    »Biologie?«, wiederholte Rose Dorrado. »Du weißt, ich will nicht, dass du an Fröschen rumschneidest oder so was.«
    »Mam, das machen wir nicht. Es geht um Gesundheit, wie man vermeidet, dass man sich in der Schule die Grippe holt. Wir müssen, ahm,

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