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Feuereifer

Feuereifer

Titel: Feuereifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Arbeiter und die Früchte ihrer Arbeit geredet hat?«, sagte der Mann. »Das hörte sich nach Gewerkschaft an, und so was gibt's nicht bei By-Smart. Was der junge Billy so genau weiß wie wir alle.«
    Ich schaute nach vorne, wo Andres stand und sich immer noch mit Billy unterhielt. Der Pastor war klein und gedrungen und ähnelte eher einem Bauarbeiter als einem Geistlichen; ich konnte ihn mir durchaus als Gewerkschaftsführer vorstellen. Viele der kleinen Kirchengemeinden in der South Side können sich keinen Pfarrer leisten, und die Geistlichen arbeiten unter der Woche in einem bürgerlichen Beruf.
    Aber würde Billy wirklich einen Gewerkschafter in Buffalo Bills Gebetsstunde eingeschleust haben? Ich hatte am letzten Donnerstag den Eindruck gewonnen, dass Billy seinen Großvater verehrte und große Stücke auf ihn hielt.
    Doch Andres schien der Junge auch sehr zu mögen; als der Raum sich leerte, blieb er an der Seite des Pfarrers, und seine Körpersprache ließ darauf schließen, dass ihm die Szene peinlich war und er den Pfarrer um Verzeihung bitten wollte. Schließlich legte der Pastor Billy die Hand auf die Schulter, und die beiden gingen zusammen hinaus.
    Plötzlich fiel mir mein eigenes Vorhaben mit Andres wieder ein. Ich rief Marcena zu, ich sei gleich zurück, schlängelte mich zwischen den Stühlen hindurch und flitzte den beiden hinterher. Doch als ich aus der Tür trat, waren sie schon im Labyrinth verschwunden. Ich rannte den Gang entlang und blickte in die abzweigenden Korridore, konnte sie aber nirgendwo entdecken.
    Als ich wieder im Versammlungsraum eintraf, stapelten ein paar Hausmeister die Stühle an der Wand auf, dann öffneten sie die Tür zu einem Lagerraum und holten Sportmatten heraus. Eine Frau in Gymnastikanzug und Strumpfhosen kam mit einem wuchtigen tragbaren Kassettenrecorder herein, und Tante Jacqui, die zwischenzeitlich verschwunden war, kehrte im Fitnessoutfit zurück und begann mit Stretchingübungen, die ihr wohl geformtes Gesäß besonders zur Geltung brachten. Der Mann, der uns erklärt hatte, dass bei By-Smart keine Gewerkschaften geduldet wurden, bemerkte meinen verblüfften Gesichtsausdruck und blickte ebenfalls auf Tante Jacquis Hinterteil. »Hier ist jetzt Aerobics dran. Sie und Ihre Freundin können gerne mitmachen, wenn Sie Lust haben.«
    »Bei By-Smart gibt's also alles«, sagte Marcena grinsend. »Gebete, Liegestütze, was der Arbeitnehmer braucht. Wie sieht's mit Stärkung aus? Kann ich irgendwo frühstücken? Ich komme fast um vor Hunger.«
    Der Mann legte ihr die Hand auf den Rücken. »Kommen Sie mit mir in die Cafeteria.
    Wir kriegen alle immer ein bisschen Hunger bei der Predigt.«
    Als wir unserem Begleiter in den Irrgarten folgten, hörten wir drinnen die Musik loswummern.

11
    Wie im trauten Heim
    »Aber, Großvater, ich wollte doch nicht... «
    »Vor der gesamten Belegschaft. Ich hätte niemals geglaubt, dass du so wenig Achtung zeigen würdest. Deine Schwester, ja, aber du, William, von dir hatte ich angenommen, dass du zu schätzen weißt, was ich hier im Laufe meines Lebens aufgebaut habe. Und ich werde mir mein Lebenswerk nicht von einem Tagedieb ruinieren lassen, der zu faul ist, sich und seine Familie zu ernähren, und deshalb mich bestehlen muss.« »Großvater, er ist kein... «
    »Ich verstehe wohl, wie es dazu gekommen ist: Wie jeder andere auf der Welt hat er gemerkt, wie leichtgläubig du bist, und hat das ausgenutzt. Wenn es so zugeht in dieser Kirche, in dieser Mount Ararat, dann solltest du dich künftig lieber fernhalten von ihr.« »Aber, Großvater, so ist es doch gar nicht. Es geht um die Gemeinde... « Ich befand mich im Vorzimmer zu Bysens Büro, dem Raum, in dem die Sekretärin den Zugang zu den heiligen Gefilden hütete. Eine der inneren Türen stand einen Spalt offen, und Buffalo Bill brüllte so, dass ich jedes Wort deutlich verstehen konnte. Der große Schreibtisch in der Mitte des Raums war unbesetzt, und ich steuerte zielstrebig auf die Lärmquelle zu, als mich jemand aus der Ecke des Raums ansprach. Es handelte sich um eine dünne, mausgraue Frau, die sich an einem Metalltisch mit einem Computer befasste und sich mit näselndem Akzent, der ihre Herkunft aus der South Side verriet, nach meinem Namen und meinem Anliegen erkundigte. Als ich sagte, Billy habe für mich ein Treffen mit seinem Großvater vereinbart, blickte sie einen Moment nervös zu der Bürotür hinüber, beantwortete jedoch zuerst einen Anruf, bevor sie sich weiter mit

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