Feuereifer
lehnte ich mich zurück und schloss die Augen, in der Hoffnung, den Fahrer damit zum Schweigen zu bringen. Was ich dann nicht mitbekam, weil ich bis zum Parkplatz der Highschool schlief wie ein Murmeltier.
Halb benebelt fuhr ich nach Hause und sank dort wieder in Tiefschlaf, in dem ich von unerfreulichen Träumen heimgesucht wurde. Ich war fünfzehn und befand mich in der Sporthalle der Schule. Es war dunkel, aber ich wusste, dass Sylvia, Jennie und die anderen aus meiner Mannschaft sich in der Nähe aufhielten. Wir waren schon so oft durch den Raum gerannt, dass wir automatisch die scharfen Kanten der Tribüne und das Pferd und die am Rand stehenden Hürden mieden. Wir wussten genau, wo die Leitern waren, mit denen man an die Kletterseile rankam. Ich war die Stärkste, ich stieg die Leiter rauf und machte die Seile los. Sylvia, die klettern konnte wie ein Eichhörnchen, klammerte sich mit den Schenkeln fest und zog die Unterhose und das Spruchband hoch. Jennie hielt an der Tür Wache und schwitzte vor Angst.
Auch der Abschlussball am nächsten Abend kam in dem Traum vor. Ich war todtraurig und enttäuscht von Boom-Boom -er hatte versprochen, mit mir zu gehen, und nun ließ er mich sitzen. Was fand er bloß an dieser Sandy?
Der Rest der Geschichte lauerte um die Ecke, und deshalb wachte ich schlagartig auf. Ich wollte nicht weiterträumen, von Boom-Booms Wut und meiner Scham, sondern fuhr hoch, keuchend und schwitzend, und sah Sandy Zoltak vor mir, wie sie damals war - rundlich und strahlend, ein durchtriebenes Lächeln auf den Lippen für die Mädchen, ein kokettes für die Jungen, und ihr Satinkleid schimmerte so blau wie ihre Augen, als sie an Boom-Booms Arm in die Sporthalle kam. Ich verdrängte die Erinnerung und dachte stattdessen daran, dass ich sie heutzutage auf der Straße nicht mehr erkannt hätte. Bei diesem Gedanken fiel mir der Typ ein, den ich auf der Straße gesehen hatte, als ich mit Pastor Andres sprach, der » chavo banda«, den Andres angeherrscht hatte, weil er auf der Baustelle auftauchte.
Ich wusste plötzlich wieder, wo ich ihn vorher schon gesehen hatte: am Dienstagmorgen im Gebäude von Fly the Flag. »Ein Halunke, der sich rumtreibt, der abstaubt und Jobs für noch üblere Schurken macht«, hatte Andres gesagt. Jemand hatte ihn mit den Sabotageakten bei Fly the Flag beauftragt. Andres oder Zamar oder jemand, den Andres kannte? Es war vier Uhr morgens. Mir stand nicht der Sinn danach, noch mal die weite Strecke nach South Chicago rauszufahren, um nachzuschauen, ob er wiederum sein Unwesen trieb in der Fabrik. Ich schlief unruhig weiter und wurde den Gedanken dabei nicht mehr los. Den ganzen Dienstag über, der mit Terminen vollgestopft war, grübelte ich über diesen chavo und die Fahnenfabrik nach und über die Kartons, die man dort verlud und vor fremden Blicken schützen musste. Als ich abends fertig war mit meiner Arbeit, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, noch mal zu Fly the Flag zu fahren. Und während ich im Dunkeln um das Gebäude herumtappte, flog es in die Luft.
16
Commander in Aktion
Ich trug Conrad die ganze verworrene Geschichte vor. Als ich zum Ende kam, war es später Nachmittag. Die Betäubung steckte mir noch in den Knochen, und ich driftete immer wieder weg. Einmal wachte ich auf und sah, dass Conrad neben mir auf dem Boden lag und schlief. Mr. Contreras war sogar so fürsorglich gewesen, ihm ein Kissen unter den Kopf zu schieben, wie ich amüsiert feststellte. Während wir schliefen, war mein Nachbar nach unten gegangen, aber etwa eine halbe Stunde später tauchte er mitsamt einer großen Schüssel Spaghetti wieder auf.
Zu Anfang provozierte Conrad mich ständig, weil es ihn offenbar nervös machte, mich zu verhören; er war zapplig und aggressiv und fiel mir alle paar Sätze ins Wort. Ich dagegen war zu müde und erschöpft, um zu streiten. Wenn er mich unterbrach, wartete ich, bis er sich abgeregt hatte, und fing meinen Satz noch mal von vorne an. Nach einer Weile beruhigte er sich und raunzte mich auch nicht mehr an, wenn ich das Telefon abnahm - nur während meines langen Gesprächs mit Morrell ging er hinaus. Er bekam natürlich auch ständig Anrufe - vom Gerichtsmediziner, seiner Sekretärin, dem Stadtrat aus seinem Bezirk und diversen Zeitungen und Fernsehsendern. Während er sich mit den Medien befasste, nahm ich ein Bad und zog mir frische Sachen an, was mit dem stechenden Schmerz in meinem linken Arm kein Vergnügen war. Ich beschloss, mir trotz
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