Feuerflügel: Roman (German Edition)
einem zusammengelegten Flügel zurück, entblößte ihre Reißzähne aus Obsidian und stürzte sich auf seine Kehle hinab. Sofort trat Goth mit den beiden Hinterbeinen nach ihr und schob die Ranke zwischen ihre Kiefer. Instinktiv biss Phönix zu und zerschnitt die Ranke mit einem Lichtblitz. Goth rollte sich befreit zur Seite.
Er breitete die Flügel aus und flog los mit Phönix hinter sich. Er ließ den Rankendschungel zurück und stürzte sich auf der anderen Seite der Pyramide hinab, weg von dem Platz, weg von der großen Stadt der Vampyrum. Draußen über dem Regenwald verfolgten ihn Phönix und ihre Wächter, konnten ihn aber nicht einholen, so mächtig waren seine Flügelschläge, angetrieben von Wut und Entschlossenheit.
Er war einmal König gewesen und er würde sich nicht besiegen lassen! Er schwebte weg von der Küste der Insel und befand sich nun über dem See. Als er zurückblickte, kreisten Phönix und ihre Wachen, als hätten sie Angst, die Schwelle des Wassers zu überqueren. Feiglinge.
Jenseits des Sees erstreckte sich mehr von der gleichen furchtbaren Wüste, die er beim Erwachen gesehen hatte. Er zögerte bei der Vorstellung, tiefer in das Wüstengebiet hineinzufliegen, aber was konnte er sonst tun? Diese prächtige Stadt konnte für ihn jetzt nur ein Gefängnis sein. Für seine eigene Art war er jetzt ein Feind. Aber wie war es dazu gekommen? Was waren das für furchtbare Dinge, die er getan hatte? „Zotz! “, schrie er in den Wind. „Zotz, es ist dein Diener Goth. Bitte, höre mich!“
Zuerst dachte Goth, es wäre nur das erschöpfte Zittern seiner Glieder, aber dann merkte er, dass die Luft selber bebte. Sogar die Sterne über ihm schienen zu flackern. Unten flirrte die schlammverkrustete Ebene wie ein windbewegter Teich. Ein Nebel tanzender Steine erhob sich vom Boden, als sich die Erdstöße verstärkten. Goth spürte die Erschütterungen in den Knochen seiner Füße und Beine, und wie sie das Rückgrat entlangkrochen und in seine Kiefer und Zähne hinein. Er war entsetzt, fühlte aber auch die finstere Aufwallung einer Erwartung. Kreisend fasste er das Epizentrum des Erdbebens ins Auge.
Zeige dich!, dachte er. Zeige dich mir!
Mit einem Donnerkrach, der bis zum steinernen Himmel widerhallte, schossen zwei massive Spitzen aus der Erde und streckten sich an ihm vorbei in die Höhe. Als Goth den Kopf schüttelte, um die Augen vom Sand zu befreien, sah er, dass diese Spitzen nicht aus Stein waren, sondern zusammengelegte Flügel, die sich nun zu entfalten begannen. Elektrizität knisterte an ihren dunklen Membranen entlang, als sie Staub und Steine aus ihren Runzeln schüttelten. Allein die Entfaltung dieser Flügel zu ihrer vollen Größe – hunderte von Metern, schätzte Goth – erzeugte eine Schockwelle aus brennendem Wind, der ihn rückwärts trieb.
In einer gigantischen Erschütterung wölbte sich die Erde zwischen den Flügeln hoch und Goth sah, wie sich ein Rücken mit dunklem Fell aus dem Geröll erhob, wie sich zwei kräftige Beine frei machten, wie gebückte, massige Schultern einen langen, ledrigen Hals ausstreckten.
Goth schluckte, würgte fast, so trocken war seine Kehle.
Schließlich erschien der Kopf. Er war weiß, ohne Haare, mager wie ein Schädel. Am Hinterkopf ragte ein langer, knotiger Federschopf in die Luft. Die Kiefer selbst waren doppelt so lang wie Goths ganzer Körper, und als sie sich öffneten, sah er endlose Reihen gezackter Zähne.
Augen, die tief im Schädel lagen, blinzelten sich frei vom Staub, dann wandten sie sich ihm zu und starrten ihn direkt an.
Goth starrte zurück, unfähig wegzuschauen. Trotz seiner Angst frohlockte sein Herz. Endlich erblickte er Zotz. Er hatte noch nie solch ein massives Geschöpf gesehen, groß wie ein Berg. In seiner Fantasie hatte er sich Zotz immer als Riesen ausgemalt, aber als einen, der im Wesentlichen wie die anderen Vampyrum aussah. Er hatte jedoch etwas an sich, was viel mehr an ein Untier, ein wenig an ein Reptil erinnerte. Seine Daumen hatten sich zu einer Art Pfote entwickelt, sodass er auf vier Füßen stand wie ein Vierfüßler und seine Flügel spitz nach oben ragten. Seine Haut hatte ein geschupptes Aussehen besonders in seinem haarlosen Gesicht. Er sah aus wie etwas, das unvorstellbar alt war.
Zotz’ Kopf stieß auf Goth zu. Der Wind kreischte wie ein Raubvogel durch den gezackten Federschopf. Seine Worte wirkten wie ein versengender Sturm.
„Ich habe dich gehört, Goth. Schau mich nun an und wisse,
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