Feuerflut
verlangsamte die Umdrehungszahl der Pumpe, expandierte und kontrahierte die winzigen arteriellen Muskeln, einmal, zweimal und noch einmal. Der Kopfschmerz, die Lichtblitze, das Dröhnen in ihren Ohren verklangen, hörten schließlich ganz auf.
Sie pumpte Luft in ihre Lungen und stieß sie langsam heraus.
„So ist es gut“, sagte die Ärztin. „Vergessen Sie nie, wie Sie sich dabei fühlen. Sie dürfen nicht zu lange auf Hochtouren laufen, sonst verwandeln Sie Ihr Gehirn in einen Käse. Eine ganze Weile fühlen Sie sich gut, sogar großartig, wie betrunken. Aber der Kater ist schlimmer als alles, was ich mir vorzustellen wage.“ Sie legte ihre Hand auf die Laeneas. „Wir möchten Sie hierbehalten, bis wir sicher sind, daß Sie die kleine Maschine wirklich beherrschen und kontrollieren können. Ich mag keine Nierentransplantationen.“
Laenea lächelte. „Ich kann sie kontrollieren.“ Sie begann, die Geschwindigkeit ihrer neuen Blutpumpe auf ein langsames, ar-rhythmisches Tempo einzustellen. Sie stellte fest, daß sie dazu nicht zu denken brauchte. „Kann ich die Asche meines Herzens haben?“
„Noch nicht. Zuerst wollen wir sicher sein.“
‹,Ich bin sicher.“ Irgendwo in dem verschachtelten Betondschungel des Krankenhauses schlug ihr Herz noch immer, in einer Nährflüssigkeit aufgehängt. Solange es lebte, solange es schlug, fühlte Laenea ihre Ambitionen und ihre Ziele bedroht. Sie könnte kein Pilot sein und wäre dazu verurteilt, als normaler Mensch weiterzuleben, mit einem normalen menschlichen Herzen, das in einem normalen Rhythmus schlug. Ihr Körper könnte das Kunstherz abstoßen, dann würde man sie in ihren normalen Zustand zurückversetzen. Wenn sie überhaupt brauchbar sein würde, dann höchstens als normales Mitglied der Crew, anästhesiert und ohne Bewußtsein zwischen Start und Ziel der Reise. Und sie wußte, daß sie das nicht länger ertragen könnte. „Ich bin sicher“, sagte sie noch einmal.
Tests und Fragen und Untersuchungen fraßen mehrere Tage. Obwohl Laenea sich stark genug fühlte, um auf eigenen Beinen zu stehen, wurde sie mit einem Rollstuhl durch die Gänge gefahren. Die Langeweile wurde immer unerträglicher. Die Schmerzen hatten nachgelassen, und Laenea sah keine anderen Menschen als Ärzte, Sanitäter und Schwestern. Keiner ihrer Freunde ließ sich sehen. Das war ein Ritus der „Übergangsperiode“, die sie allein und ohne Hilfe überstehen mußte.
Ein Tag verging, an dem sie nicht einmal den Regen sah, der niederging, oder den Sonnenuntergang, der von dichtem Nebel verdeckt wurde. Sie fragte wieder, wann sie das Krankenhaus verlassen dürfe, aber niemand gab ihr eine Antwort. Sie wurde wütend, doch niemand nahm davon Notiz.
Am Abend, in ihrem Zimmer: Laenea war hellwach. Sie lag im Bett und fuhr mit ihren Fingerspitzen über das Schlüsselbein zum Sternum, entlang der glänzendroten Linie der langen Narbe. Sie war noch immer empfindlich, nur von einer dünnen, synthetischen Haut bedeckt, und wurde unterhalb ihrer Brüste von einem breiten Klebeband zusammengehalten, das ihre zersägten Rippen ruhigstellen sollte.
Das effiziente neue Herz in ihrer Brust faszinierte sie. Sie zwang sich bewußt dazu, seinen Lauf zu verlangsamen, und ging dann die Übungen durch, Arterien und Kapillargefäße zu weiten und zu verengen. Ihre Biokontrolle war ausgezeichnet. Das war zu erwarten. Sonst hätte man sie zu dieser Operation nicht zugelassen.
Das Verlangsamen der Kreiselpumpe in ihrer Brust hätte eine angenehme Lethargie und schließlich den Schlaf herbeiführen sollen, aber Adrenalin, das als Restbestand ihrer Wut übriggeblieben war, ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Doch sie wollte auch keine Schlaftablette nehmen. Sie wollte überhaupt keine Medikamente mehr nehmen. Traumloser Medikamenten-Schlaf war wohl der schlimmste Schlaf, den es gab. Angst staute sich an, ungemildert durch die Fantasie, und schuf eine ungeheure, gestaltlose Spannung.
Das Zwielicht hatte die Textur grauer, wässeriger Seide, halb durchsichtig und unregelmäßig. Die Pastellfarben des Krankenhauses wurden kalt und geheimnisvoll. Laenea warf die Decke von sich. Sie war wieder kräftig; sie war geheilt. Sie hatte ein monatelanges Training durchgestanden, eine große Operation, und diese abschließenden Tage der Langeweile, um sich völlig von biologischen Rhythmen zu befreien. Es gab keinen Grund, warum sie schlafen sollte, wie andere Menschen, wenn es dunkel wurde.
Ein zivilisiertes
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