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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Krankenhaus; ihre Kleider hingen in einem Schrank und waren nicht weggeschlossen worden. Sie zog eine schwarze Hose an, weiche Lederstiefel und eine glänzende Lederweste, die über der Brust geschnürt wurde und Arme und Hals frei ließ. Das obere Ende der Narbe war zwischen der Verschnürung sichtbar.
    Um jede unnötige Auseinandersetzung zu vermeiden, wartete sie, bis sich auf dem Korridor nichts mehr rührte. Grüne Farbe, die eine beruhigende Wirkung ausüben sollte, war durch Alterung stumpf und häßlich geworden. Ihre Stiefel waren völlig lautlos auf dem weichen, nachgiebigen Bodenbelag, aber die hohlen Rungen der Feuerleiter klirrten unter ihren Schritten und hallten von den Wänden des engen Betonschachts wider. Ihre Beine waren müde, als sie unten war, und sie erhöhte die Umlaufgeschwindigkeit ihres Blutes.
    Draußen hing eine Hochnebelschicht vor den Sternen. Der Mond, der gerade aufgegangen war, stand als volle, runde Scheibe im Zentrum eines schimmernden Hofs. Lichthöfe umgaben auch die Straßenlampen entlang der Zufahrt zum Krankenhaus, und ihr Licht warf Laeneas Schatten nach mehreren Richtungen, so daß sie sich wie die Nabe innerhalb eines Speichenkranzes vorkam.
    Eine Reihe von Elektromobilen wartete an der Ecke, angehalftert wie Pferde in einem uralten Film. Sie schob ihre Kreditkarte in den Schlitz eines Wagens, der wie eine Schildkröte gestrichen war. Dann stieg sie ein und fuhr zum Hafen. Der kleine Karren rollte langsam und lautlos, und erst gegen Ende der Fahrt wurde der Motor hörbar, als er auf der steil abfallenden Strecke im kleinen Gang als Bremse wirkte. Laenea lehnte sich in den Sessel zurück und wünschte, sie wäre in einem Sternenschiff, aber ihre Vorstellungskraft reichte nicht aus, um es nachempfinden zu können. Der Bedienungshebel dieser Schildkröte hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit einer Informations- und Kontrollwand; und die Stadt, obwohl nicht gerade häßlich, war doch sehr gewöhnlich im Vergleich zu den Orten, die sie schon gesehen hatte. Sie konnte sich, zum Beispiel, den Transit nicht vorstellen, weil das ein Zustand war, der jenseits jeder Vorstellung lag. Sprache oder Gehirn waren unzureichend, Transit war noch niemals beschrieben worden.
    Der Hafen war schäbig, dreckig – und von magnetischer Anziehungskraft. Laenea wußte, daß sie in seiner Nähe Bekannte finden konnte, aber sie wollte nicht in der Stadt bleiben. Sie parkte die Schildkröte neben einem Haltepfosten und zog ihre Kreditkarte aus dem Schlitz, um die Aufrechnung einer Wartegebühr zu stoppen.
    Die Nacht war kühl geworden; sie bemerkte die Veränderung periphär am Nebel und der feuchten Glätte des Basaltpflasters. Der Markt, eine Ansammlung armseliger Buden, war leer und verlassen. Die paar Menschen wirkten wie leblose Schatten.
    Als sie in der Dämmerzone zwischen zwei Straßenlampen war, trat ein Mann von hinten auf sie zu. „He“, sagte er. „Wie wär’s mit …“ Seine Stimme klang aggressiv, aus Unerfahrenheit, Unsicherheit oder Angst. Laenea sah ihn überrascht an und lachte. „Sie armer Narr!“ Er verdrückte sich seitwärts, wie eine Krabbe. Nach ein paar Sekunden flüchtigen Mitleids vergaß Laenea ihn wieder. Sie fühlte einen Schauer über ihren Rücken laufen, und ihre Brust schmerzte von der Kälte.
    Kleine Läden, eingequetscht zwischen Bars und billigen Restaurants. Laenea betrat einen von ihnen, nur um sich aufzuwärmen. Es war ziemlich dunkel, dunkler als auf der Straße. Die Decke war so hoch, daß sie im diffusen Licht verschwamm, der Raum so eng, daß sie mit ausgestreckten Armen beide Wände berühren könnte. Aber sie tat es nicht. Sie krümmte sich etwas zusammen, und der Schmerz in ihrer Brust ließ allmählich nach.
    „Kann ich Ihnen helfen?“
    Als ob eine der undeutlichen Formen, die den Laden füllten, zum Leben erwacht wäre, tauchte plötzlich ein kleiner, alter Mann vor ihr auf. Er war in abgetragene, nicht zusammenpassende Kleidungsstücke gehüllt, die er seinem eigenen Warenbestand entnommen hatte. Laenea erkannte, daß sie in einem Leihhaus war, oder in einem Geschäft für getragene Kleidung. Wie Trophäen hingen breitkrempige Hüte, Mäntel und Kleider an den Wänden. Laenea trat weiter in den Laden hinein.
    „Ah, ein Pilot“, sagte der alte Mann. „Welche Ehre.“
    Laeneas Stolz war von einer fast kindischen Intensität. Nur die Ärztin hatte sie bisher „Pilot“ genannt. Für alle anderen war sie nur ein Patient gewesen, einer von

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