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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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dicht unterhalb der Kapuze. Dunst stieß nach ihm, aber irgendwie vermochte Schlange sie zurückzuhalten. Gemeinsam beraubten sie Dunst ihres Halts und bekamen sie wieder in ihre Gewalt. Schlange raffte sich auf, doch plötzlich lag Dunst ganz ruhig zwischen ihnen, beinahe steif. Sie schwitzten beide; der junge Mann war unter seiner Hautbräune bleich geworden, und sogar Schlange bebte.
    „Wir können uns nun für ein Weilchen erholen“, sagte Schlange. Sie sah ihn an und bemerkte den dunklen Strich auf seiner Wange, zurückgeblieben vom Hieb, den Dunst ihm mit dem Schwanz versetzt hatte. Sie hob einen Arm und berührte ihn. „Das gibt eine Schwellung, mehr nicht“, sagte sie. „Es wird keine Narbe bleiben.“
    „Wäre es wahr, daß Schlangen mit ihren Schwänzen stechen, du würdest sowohl die Zähne wie auch den Stachel im Zaume halten, und ich wäre kaum von Nutzen.“
    „Heute nacht benötige ich auf jeden Fall jemanden, um mich wachzuhalten, ganz gleichgültig, ob derjenige mir im Umgang mit Dunst eine Hilfe ist.“
    Der Kampf mit der Kobra hatte Adrenalin erzeugt, doch dessen Wirkung verfloß, und ihre Erschöpfung und der Hunger kehrten stärker zurück.
    „Schlange …“
    „Ja?“
    Er lächelte hastig und halb verlegen. „Ich wollte nur hören, wie es klingt.“
    „Es klang schon ganz gut.“
    „Wie lange hast du gebraucht, um die Wüste zu durchqueren?“
    „Nicht besonders lange. Aber zu lange. Sechs Tage.“
    „Wie hast du es geschafft?“
    „Es gibt dort Wasser. Wir sind bei Nacht geritten, außer gestern, denn gestern konnte ich keinen Schatten finden.“
    „Du hast die gesamte Verpflegung mitgetragen?“
    Sie hob die Schultern. „Ein bißchen.“ Und sie wünschte, er möge nicht von Nahrung reden.
    „Was ist auf der anderen Seite?“
    „Noch mehr Sand, noch mehr Sträucher, noch etwas mehr Wasser. Ein paar Gruppen von Leuten, Händler, die Niederlassung, wo ich aufgewachsen bin und meine Ausbildung erhalten habe. Und noch weiter dahinter ein Berg mit einer Stadt im Innern.“
    „Ich möchte gern eine Stadt sehen. Irgendwann.“
    „Die Wüste läßt sich durchqueren.“
    Darauf entgegnete er nichts, doch Schlanges Erinnerungen an ihren Abschied von daheim waren noch deutlich genug, so daß sie sich seine Gedankengänge vorzustellen vermochte.
    Der nächste Anfall mit seinen Zuckungen kam, viel eher, als Schlange ihn erwartet hatte. An ihrer Schwere konnte sie in gewissem Umfang das Stadium von Stavins Erkrankung ablesen, und sie wünschte, es wäre bereits Morgen. Falls er starb, ließ es sich nicht rückgängig machen, und sie würde sich grämen müssen und zu vergessen versuchen. Die Kobra hätte sich selbst im Sand zu Tode geschmissen, wäre sie nicht von Schlange und dem jungen Mann festgehalten worden. Plötzlich erstarrte sie und war stocksteif, ihr Maul war krampfhaft geschlossen, die gespaltene Zunge baumelte heraus. Sie hörte zu atmen auf. „Halt sie“, sagte Schlange. „Halt ihren Kopf. Schnell, greif zu, und sollte sie sich losreißen, dann lauf. Greif zu! Sie wird jetzt nicht zustoßen, sie könnte dir nur unglücklicherweise einen Kratzer beibringen.“
    Er zögerte nur für einen Moment, dann griff er zu, packte Dunst hinter dem Kopf. Schlange lief, wobei sie fortwährend im tiefen Sand ausrutschte, vom Rand des Zeltplatzes zu einer Stelle, wo noch Sträucher standen. Sie brach drei dornige Zweige ab, die ihre zernarbten Hände verschrammten. Beiläufig bemerkte sie, daß unter dem Büschel dürrer Vegetation ein Klumpen von Hornvipern nistete, so scheußlich, daß sie mißgestaltet wirkten; sie zischten sie an. Sie achtete nicht darauf. Sie fand einen dünnen, hohlen Stengel und nahm ihn mit. Ihre Hände bluteten aus tiefen Kratzern.
    Sie kniete neben dem Kopf der Kobra nieder, zwang ihre Kiefer auseinander und schob das Röhrchen tief in den Rachen, bis in die Luftröhre am Ansatz der Zunge. Sie beugte sich hinab, legte den Mund um den Stengel und blies behutsam in die Lungen. Sie nahm wahr: die Hände des jungen Mannes, der Dunst hielt, wie sie es verlangt hatte; seinen Atem, zuerst ein scharfer Keucher der Verblüffung, dann unregelmäßig; der Sand, der ihre Ellbogen schürfte, während sie sich aufstützte; den ekelerregenden Geruch der Flüssigkeit, die aus den Fangzähnen der Kobra sickerte; ihre eigene Benommenheit, die – wie sie annahm – von ihrer Erschöpfung herrührte, die sie durch Einsicht in die Notwendigkeit und Willenskraft

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