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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Freiheit. Die wenigen Stunden außerhalb des Lagers verstärkten nur den Wunsch, die Freiheit zurückzuerlangen, und, was viel wichtiger war, den Wunsch, nie mehr zurückkehren zu müssen. Auf Rotsonne wußte man, wie man Gehorsam erzwingen konnte.
    Kylis entfernte sich nie weit von Gryf bei ihrer Suche nach dem Schimmel und fand lediglich weitere Stücke des roten halluzinogenen Schleims. Sie konnte nicht abstreiten, daß er sie faszinierte. Sie hätte Gryf etwas davon mitbringen können – das tat sie oft –, aber schließlich ließ sie ihn unter den Steinen, wo er hingehörte.
    „Ich möchte mit dir reden.“
    Überrascht lauschte sie der rauhen Stimme, die sie so sehr fürchtete, konnte ihre Angst kaum verbergen. Unfähig zu antworten, starrte sie in das Gesicht der Echse.
    „Komm, setz dich zu mir“, sagte er. Das Sternenlicht spiegelte sich auf seinen sauberen Fingernägeln, während er auf einen entwurzelten Farnbaum in der Nähe deutete. Der Stamm bog sich, als er sich setzte, hielt aber dem Gewicht des Mannes stand.
    Wie immer waren seine schwarzen Schutzstiefel hochgezogen und mit den Hosen verbunden. Er war größer, schlanker und schwerer als Jason, und obwohl sein Körper ein wenig zu fett war, war sein Gesicht streng und schmal geblieben. Seine rasierte Kopfhaut und sein Gesicht wirkten nie gebräunt oder sonnenverbrannt, blieben immer bleich und bildeten einen harten Kontrast zu den tiefliegenden schwarzen Augen. Mit der Spitze seiner Zunge leckte er sich rasch die schmalen Lippen.
    „Was wollen Sie?“ Sie blieb, wo sie war.
    Er beugte sich nach vorn und umfing seine Knie mit beiden Armen. „Ich habe dich beobachtet.“
    Sie antwortete nicht. Er beobachtete jeden. Als sie so vor ihm stand, suchte sie nach Gründen für seine Anwesenheit, und ihr fiel nichts ein, das nicht mit seiner Brutalität zu tun hatte. Das Vorgehen der Echse war dennoch seltsam. Er war stets direkt und schroff.
    „Ich habe eine Entscheidung getroffen, nachdem auch die Sensorische Erziehung dich nicht zerbrochen hat“, sagte er. „Sie war der letzte Versuch.“
    Der Wind drehte sich etwas. Kylis nahm einen seltsamen Geruch wahr, als die Echse eine kleine Pfeife an die Lippen führte und den Rauch tief einsog. Er hielt den Atem an und reichte ihr die Pfeife.
    Sie wollte etwas davon. Es war sehr guter Stoff. Sie, Gryf und Jason hatten ihren letzten Vorrat in ihrer letzten gemeinsamen Nacht, bevor sie zu verschiedenen Schichten versetzt wurden, verbraucht. Kylis war überrascht zu sehen, daß auch die Echse es benutzte. Sie hätte niemals geglaubt, daß er hier draußen in der Lage sein würde, ein Stück seiner Aggressivität abzulegen. Sie schüttelte den Kopf.
    „Nein?“ Er zuckte die Achseln und legte die Pfeife weg, ließ sie sinnlos weiterbrennen. „Also gut.“
    Sie unterbrach die Stille nicht, in der Hoffnung, er würde sie und das, was er ihr zu sagen hatte, vergessen und weitergehen, hungrig werden oder einfach schlafen gehen.
    „Du mußt noch eine sehr lange Zeit hier verbringen“, sagte er.
    Wiederum wußte Kylis nichts zu sagen.
    „Ich könnte dir manches erleichtern.“
    „Sie könnten es den meisten hier erleichtern.“
    „Das ist nicht meine Aufgabe.“ Er überhörte den Vorwurf.
    „Was wollen Sie mir damit sagen?“
    „Schon lange suche ich jemanden wie dich. Du bist stark, und du bist starrköpfig.“ Er erhob sich und kam auf sie zu, zögerte kurz und sah zu seiner Pfeife zurück, ließ sie dann aber liegen. Er atmete tief ein. Er bemühte sich so sehr, ernsthaft zu wirken, daß Kylis ein beinahe übermächtiges Verlangen verspürte zu lachen. Sie lachte nicht; aber hätte sie es getan, wäre ein nervöses, ängstliches Lachen dabei herausgekommen. Plötzlich erkannte sie verwundert: Die Echse hat genauso viel Angst wie ich. „Laß dich von mir schwängern, Kylis.“
    Ihre erste Empfindung war Unglaube. Er würde nicht scherzen, das konnte er nicht, aber vielleicht machte er sich über sie lustig. Oder verlangte er von ihr das Unmögliche, genau wissend, daß sie ablehnen würde, damit er ihr dann anbieten konnte, sie in Ruhe zu lassen, wenn Gryf zu den Tetras zurückging. Sie hielt ihre Stimme eisern unter Kontrolle.
    „Das kann ich nicht.“
    „Du glaubst mir nicht, daß ich es ernst meine?“
    Der finstere Ausdruck verschwand von seinem Gesicht, wie ein erfahrener Schauspieler wechselte er die Maske. Die Muskeln seines Unterkiefers entspannten sich, er kam näher, wodurch sie gezwungen

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