Feuerflut
hineinversetzen.
»Was wurde aus der Karte?«, fragte Gray.
Heisman brauchte seine Assistentin nur anzuschauen.
Sharyn las vor: »›Jefferson, nie um einen Einfall verlegen, ersann eine Möglichkeit, die indianische Landkarte zu erhalten, sie zu schützen und gleichzeitig zu verhindern, dass sie jemals dem gesichtslosen Gegner in die Hände fiel. Er benutzte das Gold, um sie vor aller Augen zu verstecken. Niemand würde je auf die Idee kommen, dass sie im Herzen des Siegels verborgen ist.‹«
Gray runzelte die Stirn. »Was bedeutet das?«
Heisman zuckte mit den Schultern. »Das erklärt er nicht. Das ist in etwa der Inhalt der ersten Hälfte des Tagebuchs. Wir sind noch damit beschäftigt, die zweite Hälfte zu übersetzen, die sich unter anderem mit Archards geheimer Reise nach Island befasst.«
Grays Handy klingelte. »Entschuldigung«, sagte er und las den Namen des Anrufers ab.
Seichan entging nicht, dass sich seine unterschwellige Besorgnis vorübergehend vertiefte. Dann seufzte er erleichtert auf, vermutlich ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein.
»Das ist Monk«, teilte er Seichan leise mit. »Ich rede besser draußen mit ihm.«
Gray entschuldigte sich und ging auf den Flur. Heisman nutzte die Unterbrechung, um sich mit Sharyn zu besprechen, die noch mit der Übersetzung der zweiten Tagebuchhälfte beschäftigt war. Sie unterhielten sich leise.
»Das sollten Sie sich ansehen …«, sagte Heisman, der Rest war nicht zu verstehen.
Gray streckte den Kopf ins Zimmer und bedeutete Seichan, zu ihm zu kommen.
»Gibt es neuen Ärger?«, fragte sie, als sie auf dem Flur unter sich waren.
Er zog sie in eine Ecke. »Monk hat Neuigkeiten von den japanischen Physikern. Bei dem Vulkanausbruch vor Island kam es zu einem weiteren Neutrinoausbruch, zehnmal so stark wie der in Utah. Die Neutrinoaktivität lässt inzwischen nach, desgleichen die vulkanische Aktivität im ganzen Inselarchipel. In dieser Hinsicht könnten wir also Glück haben. Nach Ansicht der Wissenschaftler wurde der Nano-Herd durch die beim Vulkanausbruch in Island freigesetzte große Hitze unschädlich gemacht und dessen weitere Ausbreitung verhindert.«
Seichan stellte sich eine Kette miteinander verknüpfter Ausbrüche vor.
Erst Utah … dann Island … und jetzt der dritte Ausbruch.
Gray fuhr fort: »Die Messungen der Physiker haben ergeben, dass es sich um ein sehr großes Vorkommen handeln muss. Die Neutrinowelle ist so ausgedehnt, dass sie Mühe haben, deren Ursprung zu bestimmen. Im Moment können sie nur sagen, dass er in den Vereinigten Staaten liegt, irgendwo im Westen.«
»Das ist ein weites Feld.«
Gray nickte. »Die Wissenschaftler koordinieren ihre Messungen mit anderen Labors in aller Welt und versuchen, uns genauere Ergebnisse zu liefern.«
»Das ist problematisch«, murmelte Seichan.
»Weshalb?«
»In Island wurden wir von Söldnern der Gilde angegriffen. Das bedeutet, sie haben auf die gleichen Informationen Zugriff wie wir. Da wir ihr Vorhaben auf der Insel vereitelt haben, werden sie alles daransetzen, dass sich das nicht wiederholt. Ich weiß, wie diese Leute ticken, wie sie reagieren. Ich habe so lange für ihre Organisation gearbeitet, dass ich die DNA mit ihnen teile.«
»Also, was werden sie als Nächstes tun?«
»Sie werden versuchen, uns vom Informationsfluss abzuschneiden und die Quellen auszutrocknen, damit sie fortan als Einzige über das nötige Wissen verfügen.« Seichan suchte Grays Blick. »Sie werden sich unsere Informanten in Japan vornehmen. Und sie zum Schweigen bringen.«
1. Juni, 6:14
Präfektur Gifu, Japan
Riku Tanaka ließ sich nicht gerne anfassen, insbesondere dann, wenn er aufgeregt war. So wie jetzt. Er hatte Baumwollhandschuhe angezogen und sich Stöpsel in die Ohren gesteckt, um sich von dem Durcheinander im Raum abzuschotten. Er tippte rhythmisch mit dem Kuli auf den Tisch und beobachtete die aktuellen Daten, die über den Bildschirm scrollten. Bei jedem fünften Klicken warf er den Kuli hoch und fing ihn geschickt wieder auf. Das beruhigte ihn.
Trotz der frühen Stunde herrschte in seinem normalerweise so ruhigen Labor im Herzen des Ikenobergs hektische Betriebsamkeit. Jun Yoshida hatte nach dem starken Neutrinoausbruch weitere Mitarbeiter hinzugezogen. Sie hatten sich an einem anderen Arbeitsplatz um Yoshida versammelt und bemühten sich, anhand der Daten von sechs verschiedenen Labors in aller Welt die Koordinaten zu bestimmen. Das war Riku zu viel, deshalb hatte er sich an
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