Feuerflut
Bodenluke. Darunter befand sich der gewaltige Wassertank. Über diesen Zugang stiegen die Taucher ins Wasser, um den Detektor zu warten und defekte Fotomultiplier auszuwechseln. Janice schob ihm das Mundstück des Atemreglers in den Mund. Am liebsten hätte er es gleich wieder ausgespuckt – es schmeckte widerlich –, doch stattdessen biss er auf das Silikon. Janice deutete auf die dunkle Lukenöffnung.
»Los!«
Voll Angst trat er vor das Loch im Boden und sprang mit den Füßen voran ins kalte Wasser. Der schwere Lufttank zog ihn zum Boden hinunter. Er blickte nach oben und sah, wie Janice ihm nachsprang und die Luke zuzog.
Undurchdringliche Finsternis hüllte ihn ein.
Riku sank weiter in die Tiefe und stieß einen Schwall von Luftblasen aus, als er mit den Füßen den Boden berührte. Er ging in die Hocke und umklammerte die Luftflasche – einstweilen zitterte er nur vor Angst, doch das würde die Kälte bald ändern.
Auf einmal wurde er angefasst, dann nahm Janice ihn in die Arme. Ihre warme Wange berührte sein Gesicht. Sie hielt ihn im Dunkeln fest.
Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte sich eine Berührung gut für ihn an.
31. Mai, 17:32
Washington, D. C.
»Archard war mit dem Segelschiff einen ganzen Monat lang nach Island unterwegs«, sagte Dr. Heisman. »Sie hatten schlechtes Wetter.«
Gray saß neben Seichan am Tisch, während der Kurator den Inhalt der zweiten Hälfte von Fortescues Tagebuch zusammenfasste. Sharyn hatte die Übersetzung abgeschlossen, während Gray wegen des möglicherweise bevorstehenden Angriffs auf das Labor in Japan Alarm ausgelöst hatte.
Er wippte nervös und ungeduldig mit dem Fuß. Er musste sich die Geschichte anhören, das wusste er, doch eigentlich zog es ihn mit Macht in die Sigma-Zentrale. Er wollte sich vergewissern, dass bei den japanischen Physikern alles in Ordnung war.
Er sah Seichan an.
Oder ist sie vielleicht nur paranoid?
Das glaubte er nicht. Er hatte Vertrauen in ihr Urteil, insbesondere im Hinblick auf die Gilde. Er hatte ihre Warnung unverzüglich an Kat weitergegeben, welche die japanischen Behörden auf die drohende Gefahr hingewiesen hatte. Jetzt warteten sie auf ihren Rückruf.
»Auf der langen Reise«, fuhr Heisman fort, »verwandte Archard viele Tage auf die ausführliche Niederschrift seiner Theorien bezüglich der bleichhäutigen Indianer, jenes mythischen Volkes, das den Irokesen so mächtige Dinge hinterlassen hat. Er hatte die Erzählungen vieler Stämme gesammelt, in denen häufig von bleichhäutigen Menschen oder hellhäutigen Indianern die Rede war. Er hatte auch Berichte von Kolonisten zusammengetragen, die behaupteten, sie wären auf Überreste alter Siedlungen gestoßen, auf die Behausungen von Nichtindianern, die sich durch fortschrittliche Bautechniken auszeichneten. Vor allem aber befasste Archard sich mit der angeblichen jüdischen Herkunft dieser Menschen.«
»Jüdisch?« Gray straffte sich. »Wie das?«
»Archard schreibt, man habe auf der goldenen indianischen Landkarte Schriftzeichen gefunden. Er war der Ansicht, sie ähnelten hebräischen Schriftzeichen.«
Sharyn las die entsprechende Passage vor: »›Die eingeritzten Zeichen stammen offenbar von einem unbekannten Schreiber. Vielleicht von einem der bleichhäutigen Indianer? Ich habe mich mit den besten Rabbiner-Gelehrten beraten, und alle vertraten die Ansicht, es handele sich um eine alte jüdische Schrift, möglicherweise um eine frühe Form des Hebräischen. Das ist alles ein großes Rätsel. ‹«
Während sie vorlas, wurde Heisman immer aufgeregter und nickte. »Ja, das ist wirklich ein Rätsel. Als Sharyn die Übersetzung angefertigt hat und Sie mit Ihren Kontaktleuten in Japan gesprochen haben, habe ich eine Nachricht zu der Entwurfszeichnung des Großsiegels erhalten, zu der mit den vierzehn Pfeilen, die mir großes Kopfzerbrechen bereitet.«
Heisman zog ein Blatt Papier aus einem Dokumentenstapel hervor. »Schauen Sie mal unter das Siegel. Da sind Schriftzeichen zu erkennen, möglicherweise eine Anmerkung.«
Gray waren die Zeichen ebenfalls aufgefallen, doch er hatte ihnen keine besondere Bedeutung beigemessen. »Was ist damit?«
»Nun, ich habe einen Experten für alte Schriften zurate gezogen. Archard hatte recht, bei der Schrift handelt es sich um eine Vorstufe des Hebräischen. Unter dem Siegel steht das Wort Manasseh, der Name eines der zehn Verlorenen Stämme Israels.«
Gray merkte auf. Vor ein paar Stunden hatte Painter dieses alte Volk erwähnt
Weitere Kostenlose Bücher