Feuerflut
den bekommen Sie nicht.« Rafe genoss die lange Gesprächspause, denn er wusste, dass er den Mann auf die Folter spannte. »Erst legen Sie Ihre Karten auf den Tisch.«
Das Schweigen dehnte sich, dröhnte wider von Misstrauen.
Bereitest du einen Bluff vor?
Aber was konnte der Mann ihm schon bieten?
Rafe betrachtete das Goldgefäß auf dem Esstisch. Er hatte es gründlich untersucht und sich unauslöschlich eingeprägt. In seiner Vorstellung drehte er die Kanope, betastete die einzelnen Buchstaben der ausgestorbenen Sprache und die in die Oberfläche eingeprägte Landschaft.
Dieser Schatz versprach neue Reichtümer. Er würde ihm und seiner Familie ewigen Ruhm sichern. Was wollte er noch mehr?
Painter beantwortete seine unausgesprochene Frage. »Im Austausch gegen Kais sichere Rückkehr verrate ich Ihnen, wo die Vierzehnte Kolonie liegen sollte.«
Ein Lächeln breitete sich über Rafes Züge.
Der Mann hatte ihn schon wieder in Erstaunen versetzt.
Bemerkenswert.
0:44
»Onkel Crowe, du lebst!«
Als Painter die Stimme hörte, sackte er auf dem Stuhl zusammen, nicht minder gerührt als Kai.
Sie war am Leben!
Doch er beherrschte sich, denn er wusste, ihm blieb nicht viel Zeit. »Kai, bist du unverletzt? Haben sie dir wehgetan?«
»Nein«, erwiderte sie vielsagend.
Painter ahnte, was sie durchmachte; all die Toten, das viele Blutvergießen, die Angst und die Ungewissheit. Doch er hörte auch ihre Tapferkeit aus dem einen Wort heraus. In ihren Adern floss das Blut der Krieger.
»Ich hole dich da raus. Versprochen.«
»Ich weiß.« Hoffnung und Tränen schwangen in ihrer Antwort mit. »Ich weiß es bestimmt.«
Das Handy wurde ihr abgenommen. Rafael meldete sich zurück.
»Dann sind wir uns also einig, n’est-ce pas?«
»Ich melde mich wieder und nenne Ihnen Zeitpunkt und Ort für den Austausch.«
»Und ich möchte, dass Sie mir einen Beweis vorlegen, Monsieur Crowe.«
»Den sollen Sie bekommen. Vorausgesetzt, dass Kai unbehelligt bleibt.«
»Einverstanden. Au revoir. «
Als die Verbindung unterbrochen war, hielt Painter das Telefon weiter fest, als wollte er Verbindung mit Kai halten. Vor Erleichterung war ihm schwindelig.
»Dann ist Kai also noch am Leben?«, fragte hinter seinem Rücken Jordan.
Er schwenkte auf dem Stuhl herum. Die Sorge stand Jordan ins lädierte Gesicht geschrieben. Da er ganz aufs Telefonat konzentriert gewesen war, hatte Painter gar nicht gehört, dass der junge Mann hereingekommen war. Entweder er war außergewöhnlich leichtfüßig wie alle Angehörigen des Ute-Stamms … oder Painter war einfach zu müde.
Vielleicht traf auch beides zu.
Painter sah Jordan in die Augen. Er wusste, er durfte keine Ausflüchte machen. Jordan hatte es verdient. »Sie haben ihr nichts getan«, sagte er. »Aber sie ist noch immer in Gefahr.«
Jordan kam näher. »Dann werden Sie ihnen sagen, was sie wissen wollen … damit sie Kai freilassen?«
Das war nicht nur als Frage, sondern auch als Forderung gemeint.
»Ich werde es versuchen.«
Mehr konnte er nicht tun. Er hatte geblufft, um Kai mehr Zeit zu verschaffen. Aber wie lange würde das gut gehen? Wie lange würde er den Franzosen hinhalten können?
In Wahrheit hatte Painter keine Ahnung, wo die Vierzehnte Kolonie hatte liegen sollen. Nur eine Person hatte überhaupt eine Chance, das herauszufinden – und dieser Mann war auf der Flucht, wurde von allen Polizeikräften und Geheimdiensten des Landes gejagt.
Jordan wurde von neuer Angst erfasst.
Painter erhob sich und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. »Es ist schon okay, wenn Sie sich Sorgen machen, aber verlieren Sie nicht den Mut. Ich habe meine besten Leute auf den Fall angesetzt.«
Jordan nickte, holte tief Luft und atmete langsam aus.
Painter blickte auf das Telefon in seiner Hand. In einer Stunde erwartete Rafael seinen Rückruf. Bis dahin musste er Antwort auf ein paar Fragen bekommen. Er wandte sich zum dunklen Bürofenster herum und blickte in die Ferne.
Gray, lass mich nicht hängen.
32
1. Juni, 2:50
Nashville, Tennessee
GRAY STAND NEBEN Seichan und beugte sich zum offenen Fenster hin. Es war heiß. Die Goldplatte lag schräg auf einem Keramikrost, das Großsiegel mit den vierzehn Pfeilen wies nach oben.
Bläuliche Flammen tanzten am Boden des Schmelzofens, trieben die Temperatur langsam in die Höhe. Das Display über der Ofentür zeigte bereits über sechshundert Grad an.
»Es sollte nicht mehr lange dauern«, sagte der Ladenbesitzer.
Der Goldschmied war
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