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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
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russischer Abstammung und hatte angegrautes Haar. Er war nur knapp eins sechzig groß, hatte aber die Figur eines Linebackers. Ein kleines Bäuchlein quoll über seinen Gürtel. Er nestelte an dem Goldkettchen herum, das er unters T-Shirt geschoben hatte. Sein Laden hieß GoldX-Change und lag im Gewerbegebiet am Stadtrand von Nashville. Er kaufte Gold gegen Bargeld an, schmolz aber auch Ringe, Münzen, Halsketten und andere Schmuckstücke zu Barren ein.
    Außerdem hatte er Probleme mit dem Finanzamt. Kat hatte ihm für den Fall, dass er kein Stillschweigen über die nächtliche Begegnung wahrte, mit Gefängnis gedroht.
    Der Mann war nervös, sein T-Shirt durchgeschwitzt.
    »Gold schmilzt bei etwa eintausend Grad«, sagte der Russe. »Sehen Sie, das Metall glüht schon.«
    Die Goldplatte leuchtete wie die untergehende Sonne. Dann bildete sich auf dem eingeprägten US-Siegel, auf dem Gefieder des Adlers, ein einzelner schimmernder Tropfen. Er rollte langsam über die geneigte Fläche und tropfte in die Keramikpfanne unter dem Rost. Das Gold schwitzte weitere leuchtende Tränen aus, die sich zu Rinnsalen vereinigten und das Siegel allmählich zum Verschwinden brachten. Die scharfen Kanten der Platte rundeten sich, schmolzen in einem Strom von Gold.
    »Die Temperatur sollte reichen«, sagte Gray zum Ladenbesitzer. »Behalten Sie sie bei.«
    Gray wollte nicht die im Innern der Platte verborgene Landkarte beschädigen. Das dichtere Nanogold hatte einen höheren Schmelzpunkt als der Rest der Platte, doch das bedeutete nicht, dass es beim Erhitzen nicht weich würde. Sie mussten darauf achten, dass keine Details der Landkarte verloren gingen.
    Als die Temperatur eingestellt war, wies Gray den Russen zur Tür. »Sie müssen jetzt gehen. Warten Sie draußen bei meinem Kollegen.«
    Der Goldschmied zögerte keinen Moment. Er nickte, wandte sich ab und eilte hinaus. Monk beobachtete draußen die Straße. Sie wollten nicht erneut in einen Hinterhalt geraten.
    »Sehen Sie mal«, sagte Seichan und fasste ihn beim Handgelenk.
    »Ich seh’s.«
    Am vorderen Rand der Platte kam ein Grat zum Vorschein, der sich als dunkler Schatten im geschmolzenen Gold abzeichnete. Mehr und mehr Gold wurde abgeschmolzen, während das verborgene Objekt immer deutlicher hervortrat. Auch das dichtere Metall glühte, leuchtete aber weniger stark und wies keinen gelben, sondern einen rötlichen Farbton auf.
    »Das ist die Landkarte«, flüsterte Seichan.
    Es handelte sich um keine flache Gravur.
    »Das ist eine topografische Karte«, sagte Gray ehrfürchtig.
    Kleine Gebirgszüge traten hervor, zusammen mit tief eingeschnittenen Flusstälern und Vertiefungen, die Seen darstellten. Unter dem schmelzenden Gold kam ein maßstäblich verkleinertes Modell der oberen Hälfte des nordamerikanischen Kontinents zum Vorschein.
    Gray beobachtete, wie einer der letzten Goldtropfen wie ein Segelschiff einen großen Fluss entlangrollte, der die Mitte des Kontinents durchzog.
    Das muss der Mississippi sein.
    Er erkannte weitere Orientierungspunkte: eine Reihe von Vertiefungen, welche die Großen Seen darstellten, einen kleinen Riss, den Grand Canyon, einen Gebirgsgrat, der für die Appalachen stand. Und im Nordosten des Kontinents ragten mehrere Inseln aus dem Meer, die sich um eine größere Landmasse scharten.
    Island.
    Kurz darauf war nur noch die Landkarte auf dem Keramikrost übrig. Die Ränder waren unregelmäßig, die Ecken leicht nach oben gebogen. Durch die Mitte lief eine gerade Falte, die beiden Hälften passten perfekt zusammen. Gray dachte an den Mastodonschädel, den die Karte ausgekleidet hatte. Jeffersons Leute hatten den Schädel offenbar verbrannt, um die Karte herauszulösen.
    »Sind das Schriftzeichen?«, fragte Seichan.
    »Wo?«
    »Da am Rand.«
    Gray beugte sich vor, die Hitze des Schmelzofens schlug ihm ins Gesicht. »Das ist anscheinend die gleiche Schrift, in der die kopierten Textstellen in Fortescues Tagebuch verfasst sind.« Er sah Seichan an. »Holen Sie Papier aus dem Büro. Sie haben bessere Augen als ich. Ich möchte, dass alles kopiert wird.«
    Seichan gehorchte, ohne Fragen zu stellen. Sie wusste, vor welcher Herausforderung er stand, und die überließ sie gerne ihm.
    Gray betrachtete das Islandrelief. Im Süden der Inseln waren die kleineren Berggipfel des Westmänner-Archipels zu erkennen. Auf einer der Inseln war in das Metall ein dunkler Kristallsplitter eingebettet – vielleicht ein schwarzer Diamant. Er funkelte im Feuerschein des

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