Feuerflut
ist das Problem«, meinte Chin und tippte auf den großen See in der Mitte des Kraters. »Die Caldera ist ein geologischer Hotspot, wo ständig heißes, geschmolzenes Gestein aus dem Erdkern nach oben quillt. Es strömt in eine große Magmakammer, die sich nur acht Kilometer unter der Erdoberfläche befindet. Die von der Vulkanmessstation des Yellowstone Parks gesammelten Daten zeigen, dass es weitere Magmataschen gibt, die viel dichter an der Oberfläche liegen. Das Magma sickert von dort aus in die Erdkruste und ist die Ursache für die hydrothermale Aktivität in dieser Gegend. Wegen der starken Regenfälle ist ein ausgedehntes hydraulisches System entstanden, die weltweit größte Dampfmaschine. Aufgrund des hohen Drucks kommt es in dem Tal immer wieder zu starken hydrothermalen Explosionen. Bei einem dieser Ausbrüche ist der Yellowstone Lake entstanden, da sich der Explosionskrater nach und nach mit Regen- und Quellwasser gefüllt hat.«
Chins Finger kam auf dem See zur Ruhe. Er sah Painter an. »Der Druck in der Magmablase steigt allmählich immer weiter an, da ständig neue Lava in die Höhe drängt.«
»Bis es irgendwann zum Ausbruch kommt …«
»Das ist in den vergangenen zwei Millionen Jahren drei Mal passiert. Bei der ersten Explosion wurde ein Loch von der Größe von Rhode Island in die Erdkruste gerissen. Bei der letzten Eruption wurde der Großteil des Kontinents mit Asche bedeckt. Die Entladungen erfolgen in regelmäßigen Abständen, so verlässlich wie die Aktivität des Old Faithful Geyser. Im Abstand von etwa sechshunderttausend Jahren.«
»Wann war der letzte?«, fragte Painter.
»Vor sechshundertfünfzigtausend Jahren.« Der Geologe sah Painter vielsagend an. »Der nächste Ausbruch ist also überfällig. Nicht ob es dazu kommen wird, ist die Frage, sondern wann. Der Ausbruch ist unvermeidlich, und die geologischen Daten deuten darauf hin, dass es bald so weit sein könnte.«
»Was für Daten?«
Chin nahm einen Stapel von Studien des geologischen Dienstes und seismografischen Berichten der Vulkanbeobachtungsstation in die Hand und schüttelte sie. »Wir sammeln Daten seit dem Jahr 1923. Der Erdboden in dieser Gegend hat sich aufgrund des ansteigenden Drucks stetig gehoben, doch seit 2004 läuft der Prozess dreimal so schnell ab, das ist der höchste Wert, der je gemessen wurde. An der einen Seite des Yellowstone Lake, der den Krater bedeckt, hat sich der Untergrund so weit gehoben, dass es am anderen Ende zu Überschwemmungen kommt, denen Wald zum Opfer fällt. Andere Teile des Waldes sterben ab, weil die Wurzeln durch die unterirdische Hitze zerstört werden. Überall sprudeln heiße Quellen aus dem Boden, an denen sich bereits mehrere Besucher verbrüht haben, sodass einige Wanderwege gesperrt werden mussten. An unzugänglicheren Stellen sind neue Abzugsöffnungen entstanden, die von Flugzeugen aus gesichtet wurden. Dadurch treten Dampf und giftige Gase aus, die einen Bison auf der Stelle töten würden.«
Chin klatschte die Ausdrucke auf den Tisch. »Das ist ein Pulverfass, das jederzeit hochgehen kann.«
»Und jetzt hat jemand das Streichholz entzündet«, sagte Painter.
Er stellte sich die Neutrinoschwärme vor, die auf den Park einprasselten und ihn der unausweichlichen Explosion, welche die hundertfache Stärke des Ausbruchs vor Island erreichen würde, immer näher brachten.
»Womit müssen wir rechnen, wenn wir den Vulkanausbruch nicht verhindern können?«, fragte Painter. »Was passiert, wenn der Vulkankegel explodiert?«
»Das wäre eine Katastrophe.« Chin blickte auf die Berichte und Diagramme. »Zunächst einmal wäre dies die lauteste Explosion seit über siebzigtausend Jahren. In Minutenschnelle würden hunderttausend Menschen von Asche begraben, von überhitztem pyroklastischem Auswurf verbrannt oder von der Druckwelle getötet. Das Magma würde vierzig Kilometer hoch geschleudert werden. Würde man die freigesetzte Lavamenge gleichmäßig auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten verteilen, hätte sie eine Höhe von zwölf Zentimetern. Betroffen wären aber vor allem die Bundesstaaten an der Küste, denn der ganze Nordwesten würde ausgelöscht werden. Der Rest des Landes – und die übrige Welt – würde vor allem unter der Asche leiden. Man schätzt, dass zwei Drittel des Landes mindestens einen Meter hoch mit Asche bedeckt würden. Das Land würde unfruchtbar und unbewohnbar. Die in die Atmosphäre hochgeschleuderte Asche würde die Sonne verdunkeln, und die
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