Feuerflut
weißgrauen Vulkankegel und nebelverhüllten Flüsse und Bäche des oberen Geysir-Beckens herrschte noch Nacht. Dunkle Wiesen und Ansammlungen von Drehkiefern erstreckten sich bis zu den fernen Plateaus und Bergen.
Aber der Mensch hatte diesem nationalen Schatz, dieser gegensätzlichen Mischung aus stiller Naturschönheit und infernalischer geologischer Aktivität längst seinen Stempel aufgedrückt. Im Zwielicht des Morgengrauens markierten Straßenlaternen und Scheinwerfer die wenigen Verkehrswege, die sich durch den Park schlängelten. Die von Painter angeordnete Evakuierung war in vollem Gange und führte zu Stauungen, da derzeit im Park Hochbetrieb herrschte. Die Blaulichter der Parkverwaltung säumten die Hauptwege. Die Ranger bemühten sich nach Kräften, den Park möglichst schnell zu räumen.
Painter sah auf die Uhr.
Noch zwei Stunden.
Nicht alle würden rechtzeitig von hier wegkommen, doch er musste es wenigstens versuchen. Als er zwei Stunden zuvor mit einem Privatjet von Flagstaff zu dem kleinen Flughafen im Westen Montanas gestartet war, der nur wenige Kilometer vom Westeingang des Parks entfernt lag, hatte er die Evakuierung angeordnet. Jetzt brachte ihn der Helikopter zum vereinbarten Treffpunkt.
Unter ihnen tauchte ein Parkplatz auf. Zwei weitere Helikopter waren bereits gelandet. Rafaels Team war ihm offenbar zuvorgekommen, doch es war von Salt Lake City gestartet und hatte folglich den kürzeren Weg gehabt. Die beiden Teams trafen sich im Old Faithful Inn, einem kolossalen Wahrzeichen des Parks, erbaut Anfang 1900. Das siebenstöckige rustikale Hotel mit seinen steilen Dächern und schweren Balken war das größte Blockhaus der Welt, errichtet aus vor Ort geschlagenen Kiefern und Bruchsteinen.
Von hier aus hatte man freie Sicht auf seinen Namensvetter.
Als die Helikopterkufen aufsetzten, wurde der Geysir seinem Namen gerecht. Der berühmteste Geysir des Tals schleuderte Wasserdampf und kochend heißes Wasser fast sechzig Meter hoch. Der Old Faithful wurde alle neunzig Minuten aktiv.
Painter konnte nur hoffen, dass er das nächste Spektakel noch erleben würde.
Hinter dem Geysir schlängelte sich der Firehole River durchs obere Becken, gesäumt von weiteren Geysiren mit verrückten Namen – Bienenstock, Spastiker, Burg, Schlürfer, Kleiner Scheißer, die Riesin. Daneben gab es zahllose Schlote, Tümpel und dampfende Quellen.
Die Kabinentür öffnete sich, und Painters Team betrat diese zernarbte, wundersame Welt. Allerdings waren sie nicht als Touristen hergekommen.
»Hier stinkt’s«, bemerkte Kowalski.
Painter war sich jedoch nicht sicher, ob er den Schwefelgestank meinte oder die vertrackte Situation. Sein Teampartner schaute missmutig umher und raffte seinen langen Mantel um die Schultern.
Hank stieg als Nächster aus, gefolgt von seinem Hund, der gleich loslief und einen Laternenpfosten markierte. Jordan half dem Professor beim Aussteigen. Painter hatte den jungen Mann in Flagstaff zurücklassen wollen, doch der hatte ein triftiges Gegenargument parat gehabt.
Wenn Sie scheitern, sterbe ich sowieso. Dann sterbe ich lieber im Kampf.
Painter wusste, was Jordan hierhergezogen hatte. Der junge Mann sah zu dem großen Hotel hinüber. Er bewunderte nicht etwa die Architektur, sondern hielt Ausschau nach Kai. Auch Painter machte sich Sorgen um sie. Das Schicksal der ganzen Welt war zu viel, um es sich zu Herzen zu nehmen, und zu umfassend, um es auch nur zu begreifen.
Letztlich zählten die paar Menschen, die man liebte.
Jordan stand die Sorge um die eine verängstigte junge Frau ins Gesicht geschrieben. Painter wiederum wünschte sich sehnlichst, Lisa wiederzusehen. Ihr letztes Telefonat war notgedrungen kurz gewesen, denn schließlich ging es um das Schicksal der ganzen Welt. Lisa war stark gewesen, doch er hatte gespürt, dass sie die Tränen nur mit Mühe zurückgehalten hatte.
»Gehen wir«, sagte Painter und winkte den Nachzüglern.
Ronald Chin und Major Ashley Ryan bildeten zusammen mit drei Nationalgardisten den Abschluss. Sie schleppten schwere Kisten mit. Ryan hatte die Verstärkung, Kameraden aus Utah, am Flughafen von Montana eingesammelt, und Painter hatte die zusätzliche Ausrüstung einfliegen lassen.
Mit Rafael hatte Painter vor dem Aufbruch von Flagstaff vereinbart, dass beide Teams gleich stark sein sollten. Painter hatte einen Pinkelwettbewerb unbedingt vermeiden wollen. Sie hatten eine Aufgabe zu erledigen – und zwar schnell, mit einem Minimum an
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