Feuerflut
Anrufe werden ja allmählich die Regel, Mr. Pierce«, sagte Eric Heisman übers Handy. Dabei klang er nicht gereizt, sondern eher aufgeregt.
Kat hatte das Gespräch arrangiert und die Verbindung von der Telefonzentrale von Sigma herstellen lassen.
»Ich habe das Handy laut gestellt«, sagte Gray. Er wollte, dass alle mithörten. Jetzt kam es auf den kleinsten Hinweis und das winzigste Detail an.
Seichan richtete sich auf dem Rücksitz auf und hörte aufmerksam zu.
Monk fuhr langsam über den Shelbyville Highway am südlichen Stadtrand entlang. Um diese Zeit war kaum Verkehr, weshalb er sich ganz auf das Telefonat konzentrieren konnte. Auch Kat hörte von der Sigma-Zentrale aus zu.
Heisman setzte sie über den Stand seiner Nachforschungen ins Bild. »Sharyn und ich haben alle Informationen zur Expedition von Lewis und Clark gesichtet, die in Zusammenhang mit Yellowstone stehen. Vor ein paar Minuten habe ich zudem mit Professor Kanosh gesprochen. Er hat den Themenkomplex aus der Perspektive der Indianer untersucht und mir damit viel Zeit gespart.«
Gray drängte Heisman, sich kürzer zu fassen, denn er hatte das Gefühl, die Zeit laufe ihm davon. Kat hatte ihn bereits darüber informiert, dass Painter zusammen mit einem französischen Team der Gilde unterwegs zum Yellowstone Nationalpark sei, wo sie gemeinsam versuchen wollten, des Problems vor Ort Herr zu werden. Aber wie man es auch drehte und wendete, die Lage war kritisch. Gray wollte aus der Ferne helfen, so gut er es vermochte.
»Und Sie haben keine Belege dafür gefunden, dass die Expedition von Lewis und Clark im Yellowstone-Gebiet war?«, fragte Gray.
»Nein. Aber ich finde es merkwürdig, geradezu unverständlich, dass sie es umgangen haben sollen. Die Expedition hat sich dem Gebiet bis auf sechzig Kilometer genähert. Professor Kanosh zufolge waren die Indianer bezüglich des geothermisch aktiven Tals äußerst zurückhaltend, doch die Expedition führte Unmengen von Tand und Münzen mit sich, mit denen sie die Indianer für Informationen über Pflanzen, Tiere und außergewöhnliche Naturphänomene entlohnten. Es ist anzunehmen, dass ihnen irgendwann jemand von dem ungewöhnlichen Tal erzählt hat.«
»Dann glauben Sie also, dass Lewis und Clark dort gewesen sind?«, meinte Seichan vom Rücksitz aus.
»Wenn ja, haben sie ihre Spuren gut verwischt. Der bislang einzige Hinweis auf die Richtigkeit der Annahme ist äußerst schwach. Von dem Zeitpunkt an, da er die von Meriwether Lewis geleitete Expedition verließ, gibt es keine Belege mehr über den Verbleib von Archard Fortescue. Wir wissen nur, dass Lewis ein paar Jahre nach seiner Rückkehr ermordet wurde. Das ist alles andere als ein hieb- und stichfester Beleg dafür, dass sie die verlorene Indianerstadt im Herzen der Vierzehnten Kolonie entdeckt haben.«
»Dann gehen wir doch ein Stück zurück«, schlug Gray vor, während er die Puzzlesteine in seinem Kopf drehte und wendete. »Beginnen wir mit Meriwether Lewis’ Tod. Mal angenommen, die Expedition ist tatsächlich fündig geworden, und Lewis’ Ermordung stand in Zusammenhang mit der Entdeckung. Wissen Sie Näheres über die Todesumstände?«
»Also, er wurde im Oktober 1809 in Tennessee getötet, in einem Gasthof mit Namen Grinder’s Stand, in der Nähe von Nashville gelegen.«
Gray wechselte Blicke mit seinen Begleitern.
Nashville?
»Ja, klar«, brummte Monk, »sieht so aus, als liefen wir immer noch hinter diesen Typen her. Erst nach Island, jetzt nach Tennessee.«
Heisman, der ihn nicht gehört hatte, fuhr fort: »Wie schon gesagt, gibt es keine triftige Erklärung für Lewis’ Tod. Trotz der beiden Schusswunden – im Bauch und im Kopf – ging man offiziell von einem Selbstmord aus. Daran glaubte man bis vor Kurzem. Jetzt nimmt man an, dass Lewis entweder bei einem Einbruch getötet oder vorsätzlich ermordet wurde.«
»Was ist über die Umstände der Tat bekannt?«, fragte Gray.
»Es gibt zahlreiche Berichte, aber der beste stammt von Mrs. Grinder, der Frau des Wirts, die in dieser Nacht allein zu Haus war. Sie hat ausgesagt, sie habe Schüsse und Kampfgeräusche gehört, und Lewis habe um Hilfe gerufen, doch sie sei so verängstigt gewesen, dass sie erst gegen Morgen nach ihm gesehen hat. Sie fand ihn in seinem Zimmer vor, schon so gut wie tot. Er lag auf seinem blutgetränkten Büffelledermantel. Seine letzten Worte klangen geheimnisvoll. › Ich hab’s geschafft. ‹ Als hätte er seinen Mördern am Ende doch noch ein
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