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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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seinem wissenden Blick. Dann erst überschritten wir die Schwelle.
    »Hier ist die ›Konaki‹ – die Stube, wo wir uns versammeln«, sagte Stavros mit gedämpfter Stimme.
    Wir sahen uns um. Der Raum war ziemlich groß; Boden und Decke waren aus schön poliertem Holz, die Wände frisch geweißt. Es war die eigentliche Wohnstube, aus der alle Möbel entfernt worden waren. Durch das kleine, mit Geranien und Basilikum geschmückte Fenster schien die Sonne. Eine Tür führte in den Vorgarten, die nächste in ein Schlafzimmer.
    An den Wänden hingen Reproduktionen von kitschigen Ölmalereien –
    Gondeln in Venedig, eine Waldlandschaft mit einem Hirschen, daneben vergilbte Kalenderbilder, Postkarten, jede Menge Fotografien, manche mit der Hand koloriert. Eine davon, mit einer großen Signatur versehen, zeigte Elenis Eltern. Ein geschicktes Spiel von Licht und Schatten hatte die Gesichter zur höchsten Geltung gebracht. Das Foto war bei Harcourt aufgenommen worden, wo sich früher alle Schauspieler porträtieren ließen.
    Es war merkwürdig, ein Foto aus dem Pariser Prestigestudio an diesem Ort anzutreffen.
    An den Wänden waren Stühle aufgereiht, so daß der Raum wie eine Tanzdiele wirkte. Auf einem Eckbrett, dessen Winkel nach Westen zeigte, waren auf halber Wandhöhe eine Anzahl Ikonen aufgestellt. Alle waren in Schutzhüllen aus rotem Samt verpackt, die man herzförmig ausgeschnitten und mit einem Kreuz aus Goldfäden bestickt hatte. An den Hüllen waren Votivtafeln aus Leichtmetall geheftet. Amulette, die einen besonderen Körperteil darstellten und als Dank für die Heilung gestiftet wurden: Arme, Hände, Ohren, Torso. Manche dieser Votivgaben dienten der Erfüllung eines Wunsches: Sie zeigten kleine Kinder, Herzen, das Antlitz eines Jünglings oder eines Mädchens. Neben den Ikonen lag ein Stapel roter Baumwolltücher. An einer Kette, an der Decke befestigt, brannte eine Öllampe. Unter dem Holzgestell stand ein kleiner Tisch, auf dem ein Spitzendeckchen lag. Auf dem Boden waren Musikinstrumente aufgestellt: eine Lyra – eine Art Geige mit vier Saiten – sowie zwei Trommeln. Das teilweise geschwärzte Trommelfell der größeren und ihre primitive Bauart zeigten, daß sie alt sein mußte. Die kleinere war neu.
    »Diese Trommeln heißen ›Daouli‹«, erklärte uns Stavros, »die große ist schon über hundert Jahre alt.«
    Mit seinem knochigen Finger wies er auf das fleckige Trommelfell, er lächelte:
    »Sie ist uns besonders kostbar, denn im Laufe der Jahre zeigte sie uns das heilige Antlitz.«
    »Was meint er?« fragte Martin, äußerst interessiert.
    »Auf dem Trommelfell soll das Gesicht eines Gottes sichtbar sein.«
    »Moment mal! Wo denn?« Martin starrte auf die Trommel. Ich kniff die Augen zusammen. Nach einer Weile sahen wir es beide: die schwärzlichen Flecken und Maserungen des Trommelfells ließen tatsächlich ein bärtiges Antlitz erkennen.
    »Witzig!« Martin lachte kurz auf und wandte sich an Stavros. »Wer soll das sein? Christus oder Mithra?«
    Die Frage war scherzhaft gedacht, doch Stavros zuckte mit keiner Wimper.
    »Was macht das für einen Unterschied?« erwiderte er ruhig.
    Unsere Blicke trafen sich; in seinen dunklen Augen tanzte ein spöttischer Funke. Dahinter waren andere Dinge; Dinge, von denen er nicht sprach und die ich gleichwohl verstand. Das, was uns verband, war etwas, das sich weder erklären noch beschreiben ließ. Die Art, wie er zu Martin sprach, war nicht minder höflich, doch unter seiner Verbindlichkeit war Zurückhaltung zu spüren. Seine Haltung, seine Augen schienen zu sagen:
    »Du bist unser geehrter Gast. Sie jedoch ist eine der unsrigen.« Und nur ich in meinem Inneren wußte, was Stavros damit meinte. Er merkte diese Dinge, wie ein Hund in einem Haus die Anwesenheit von Freude und Trauer empfinden mag. Wieder fühlte ich diese Unruhe in mir, dieses seltsame Flattern im Magen, das mir das Gefühl gab, nicht in meinem Körper zu sein, sondern auf eigenartige Weise um ihn herum zu schweben.
    Dieses Gefühl war mir vertraut; ich hatte es schon früher erlebt. Ich wußte, daß ich mein Gesicht und meine Stimme vollkommen beherrschte, niemand konnte ahnen, was in mir vorging. Aber sobald Stavros seine schwarzen Augen auf mich richtete, fühlte ich mich durchschaut. Doch der alte Mann behielt seine Gedanken für sich, und ich war ihm dafür dankbar.
    Nun trat er vor die größte der Ikonen, beugte dreimal das Knie, so tief, daß er mit dem Finger der rechten Hand den

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