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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Schritte verlangsamten sich; der Rucksack hing immer schwerer auf meinen Schultern. Da hörte ich hinter mir das Dröhnen eines Lastwagens. Ich ging so dicht wie möglich an den Straßenrand, damit ich von den Scheinwerfern beleuchtet wurde, schnallte den Rucksack ab und stellte ihn vor meine Füße. Dann hob ich die Hand in der bewährten Geste der Tramper. Der Lastwagen kam die Steigung hoch; ich blinzelte im Scheinwerferlicht, als er langsam an mir vorbeifuhr und anhielt. Ich hob meinen Rucksack auf und lief auf den Wagen zu. Ich mußte mich jetzt auf das übliche »Kamaki«-
    Verhalten einstellen, setzte jedoch auf die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Griechen. Der Fahrer beugte sich vor, um mir die Tür zu öffnen. Am Steuer saß ein älterer Mann, hager, mit blinzelnden Augen.
    Nach der reinen Nachtluft empfing mich sein Geruch nach Asche und schmutziger Wäsche.
    »Efcharisto – danke«, stammelte ich atemlos. Und fügte gleich
    »signomi – Entschuldigung« hinzu.
    »Dhen pirazi, kalos ilthate« – macht nichts, willkommen – brummte freundlich der Mann, während er den Motor wieder anließ. Um die Windschutzscheibe herum klebten alle möglichen Fotografien, Heiligenbilder und Kalenderblätter mit leicht bekleideten Frauen. Am Rückspiegel baumelte ein versilbertes Kreuz und die üblichen Amulette gegen den bösen Blick. Ich erzählte dem Fahrer von meinem Mißgeschick.
    Der Fahrer schnalzte mit der Zunge, nickte verständnisvoll. Ja, das käme vor, meinte er. Die Leihwagen seien nicht immer im besten Zustand.
    »Poss emaths tosso kala ta ellinika?« Wohast du nur so gut Griechisch gelernt, wollte er wissen. Er selbst hatte die harte, klangvolle Aussprache der Makedonier. Er war unterwegs nach Doufalia, einer Kleinstadt im Norden, und wollte Thessalokini eigentlich umfahren. Doch er würde einen Umweg machen, um mich ins Stadtzentrum zu bringen. Das Geld, das ich ihm als Dank für dieses Entgegenkommen anbot, wies er ab.
    Zwanzig Minuten später hielt der Wagen an der breiten Dimitru-Gunari-Straße, die zum Hafen führte. Der Fahrer hatte mir gesagt, daß sich mehrere Hotels in der Nähe befanden. Ich winkte ihm nach, während der losfahrende Wagen mich in eine stinkende Abgaswolke hüllte. Um diese Zeit war der Verkehr weniger geworden. Einige Männer gingen vorbei, die mich neugierig musterten. Ich hob meinen Rucksack auf. Jetzt merkte ich, wie müde ich war. Meine Knie zitterten, und ich hatte kaum noch Kraft in den Oberschenkeln. Plötzlich überkam mich eine seltsame Mutlosigkeit.
    Jetzt gab es nichts mehr, was ich tun sollte. Es war zu spät. Die Zeit war abgelaufen. Ich hatte etwas ganz Wichtiges verpaßt. Ich verstand nicht mehr, warum ich mich so aufregte, warum es mir so schwerfiel zu denken.
    Unsinn. Ich war nur müde. Ich sollte meine Phantasie lieber abschalten, vernünftig denken. Der Krach mit Martin. War ich traurig deswegen? Ein wenig schon. Aber es machte jetzt nichts mehr aus. Tatsächlich entdeckte ich ein Hotel, auf der anderen Straßenseite, eines der üblichen Betonklötze aus den siebziger Jahren. Ich schnallte meinen Rucksack um und lief über die Straße. Die Glastüren des Delphi-Palace waren schon geschlossen. Ich klingelte den Nachtportier heraus. Dieser schüttelte den Kopf, aufrichtig bedauernd: Das Hotel war ausgebucht. Doch zwei Straßen weiter befände sich der Dioskouri-Inn, wo ich vielleicht mehr Glück haben würde. Nein, es habe keinen Sinn, ein Taxi zu bestellen, das Hotel sei ganz in der Nähe. Ich machte mich wieder auf den Weg, erschöpft, mit schmerzenden Gliedern.
    Ich ging durch dunkle Straßen, an Mülltonnen vorbei; einige Cafes waren noch erleuchtet, aber sämtliche Geschäfte hatten die metallenen Rolladen heruntergelassen. Zwei Matrosen kamen vorbei, riefen mir anzügliche Worte zu. Endlich fand ich das Dioskouri-Inn, ein drittklassiges Hotel an einer Straßenecke. Der Nachtportier, den ich aus dem Schlaf holte, schüttelte mürrisch den Kopf. Nein, kein Zimmer mehr frei. Ich wischte mir den Schweiß aus der Stirn. So ging es nicht weiter. Ich hatte einen Reiseführer mit einer Hotel- und Pensionsliste bei mir. Das beste war, von einem Cafe aus anzurufen, und wenn ich endlich ein Zimmer gefunden hatte, ein Taxi zu bestellen. Ich sah mich um; ein »Kafeneion« war noch offen. Das grünliche Neonlicht flackerte schummrig und wenig einladend, aber mir war das allmählich egal. Ich ging über den Platz, stieß die Tür auf und trat ein.

17.

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