Feuerfrau
Herd brannte. Ein paar Frauen hantierten mit Töpfen und Pfannen, mischten den Salat. Eine Suppe aus roten Bohnen kochte in einem Kessel.
Mutter Demetria schnitzelte Gemüse und Kräuter über dem Spülstein: Lauch, Spinat, Knoblauch, Petersilie, Zwiebeln. Es roch stark nach Rauch und brutzelndem Olivenöl. Die Anastenariden hielten sich streng an die Vorschriften: Vor der eigentlichen Zeremonie durften weder Fleisch noch Milchspeisen gereicht werden. Bald fanden sich immer mehr Menschen ein; die Luft wurde drückend, man machte Durchzug. Die Frauen hatten den Eßtisch auf die Seite geschoben, alle verfügbaren Teppiche hergeschafft und darüber Tischdecken ausgebreitet. Alle, Männer, Frauen und Kleinkinder, setzten sich auf den Boden. Mutter Demetria brachte in breite Stücke geschnittenes frisches Weißbrot, sonnenwarme Tomaten und Gurken. Ein kleines Mädchen stellte Öl und Essig auf die Tischdecken, ein junger Bauer brachte einen Krug mit Wein, füllte schwungvoll alle Gläser, ohne einen Tropfen danebenzuschütten. Ich wollte Mutter Demetria helfen, doch sie machte nur ts, ts, mit den Lippen.
»Setz dich, setz dich, mein Kind, genieße das Fest!«
»Aber Großmutter, du wirst müde sein.«
»Ich habe Zeit zum Ausruhen, wenn ich unter der Erde liege.«
Sie schlurfte emsig hin und her. Ihre wäßrigen Augen, ihr kleiner Mund waren durch Falten und Fältchen verbunden wie bei einer Stoffpuppe. Ich hatte ihr Manuel kurz vorgestellt; sie hatte ihre Hände an der Schürze abgetrocknet und ihm mit wackelndem Kopf freundlich zugeblinzelt, ohne zu fragen, wer er war.
»Willkommen, mein Sohn!« war alles, was sie sagte. Vielleicht war sie noch von dem Schlafmittel benommen.
Die Großmutter und die Mutter kamen mit der kleinen Behinderten.
Yullas Pupillen schwammen auf dem bläulichen Weiß, als die Mutter sie behutsam auf den Boden niederzwang. Sie wurden als erste bewirtet.
Anghelina holte Löffel aus einer Schublade, füllte Bohnensuppe in drei kleine Schüsseln. Die Mutter fütterte das Kind. Yulla öffnete apathisch den Mund; die Suppe rann ihr über das Kinn, in den Kragen ihres Festkleides hinein. Ein alter Mann lockerte das Taschentuch, das er um den Hals trug, um den Schweiß aufzufangen. Er schlürfte seine Suppe, räkelte sich und schlief ganz plötzlich ein, so wie er da saß, aufrecht, den Kopf auf der Schulter. Sein Unterkiefer klappte herunter, und er fing an zu schnarchen.
Eine große dünne Frau, ohne Hüften und ohne Busen, steckte sich eine Pfeife an; sie saß da wie ein Mann, den Rücken kerzengerade, die Knie weit auseinander, und rauchte. Eine Frau kniete neben ihr, mit steinernem Gesicht und offenbar erbost, sagte jedoch nichts. Das Klappern von Geschirr, das Zischen heißen Öls in der Pfanne erfüllten den Raum. Die Leute aßen und tranken geräuschvoll und langsam, mit der schweigenden Achtung vor dem Essen in Ländern, in denen nicht jeder jeden Tag satt wird. Manuel und ich sprachen miteinander in zerstreuter Heiterkeit. Die stickige Luft und der Wein machten uns ein wenig benommen.
»Du mußt Zitronensaft in die Suppe tun«, sagte Manuel.
»Warte, ich schneide dir eine auf.«
Er schnitt die Zitrone in zwei Hälften. Wir preßten sie in die dickflüssige Suppe aus.
»Die Suppe schmeckt gut«, sagte ich, so überzeugt wie möglich. »Mit Zitrone noch besser.«
Wir lachten beide.
»Ich glaubte Griechenland zu kennen«, sagte ich, »und entdecke immer wieder Neues, das mich sprachlos macht.«
»Ich auch. Hier prägt sich mir alles, was ich sehe, tief ein.«
»Der Tag ist noch nicht zu Ende.«
Seine Augen waren plötzlich verdunkelt. Er sagte sehr langsam:
»Es ist merkwürdig, welche Lust ich habe, dich zu lieben.«
Ich legte meine Hand auf seine, strich mit den Fingern über die weiche, warme Haut.
»Ich kann es kaum abwarten«, sagte ich.
Ein Mann bot uns Zigaretten an; Manuel und ich nahmen sie, obschon wir uns nichts daraus machten. Der Mann zündete ein Streichholz an, gab uns Feuer, wobei er die knorrigen Finger mit den schmutzigen Nägeln zu einem Kelch formte. Die Glut erleuchtete seine Wangen, eingefallen und hart wie Leder. Wo wir herkämen, wollte er wissen. Wie die meisten Bauern sprach er bedächtig und vorsichtig. Das bißchen, was er von der Welt wußte, kannte er aus dem Fernsehen. Doch sein Interesse galt nur den Dingen, die wichtig für ihn waren: der Feld- und Gartenarbeit, der Ernte, dem Wetter.
»So, in Mexiko pflanzt man Mais an? Bei uns wächst er
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