Feuerfrau
überlegen, was ihn so unverkennbar anders machte. Es mußte seine Ruhe sein; sie wirkte träumerisch und war für viele Menschen wahrscheinlich undurchsichtig. Dabei hatte er nur Geduld.
»Das sagst du mir jetzt zum zweiten Mal«, antwortete ich.
Martin fingerte an seiner Zigarette.
»Es wird nicht wieder vorkommen, das verspreche ich dir.«
»Weißt du«, sagte ich, »ich glaube kaum, daß das einen Unterschied macht, ob du mir etwas versprichst oder nicht.«
Eine Weile herrschte Stille zwischen uns. Martin rauchte und trank seinen Kaffee. Als das Schweigen andauerte, ging mir allmählich das Unvermeidliche auf: Martin suchte Streit.
»Ich nehme an, daß Sie englisch sprechen«, sagte er plötzlich zu Manuel.
Manuel hob den Blick zu ihm.
»Auch französisch.«
Martin ließ die Asche in den Rest des Kaffees fallen, der noch in der Tasse war.
»Tatsächlich? Woher sind Sie denn?«
»Eigentlich aus Tehuantepec«, sagte Manuel. »Jedenfalls bin ich dort geboren worden.«
Martin blickte auf ihn herunter.
»Wo liegt das denn?«
»In Mexiko.«
»Und was tun Sie so im Leben?«
»Eigentlich nicht viel«, sagte Manuel.
Martin lächelte mit herabgezogenen Mundwinkeln.
»Eine angenehme Beschäftigung!«
Manuel nickte gleichmütig.
»Das finde ich manchmal auch.«
Im Raum wurde die Hitze stickig. Die Leute standen einer nach dem anderen auf und gingen. Einige Frauen räumten den Tisch ab. Der kleine Junge ließ draußen seinen Ball hüpfen.
Martin wollte Tasse und Untertasse aus der Hand haben und stellte sie auf das Fensterbrett.
»Ich bin gekommen, um ein Mißverständnis zu klären« sagte er, wieder zu mir gewandt.
Der Wein machte mir einen schweren Kopf. Ich rief meine Gedanken zur Ordnung und nickte ihm abwartend zu. Er machte eine ungeduldige Handbewegung.
»Ich kann hier nicht über Privates reden. Was ich dir zu sagen habe, geht niemanden etwas an.«
Manuel erhob sich wortlos, räumte das Geschirr auf, das vor uns stand, und brachte es Demetria, die vor dem Spülbecken stand. Anghelina brach in Lachen aus.
»Möchtest du beim Abwaschen helfen?«
»Als ich klein war und zu meiner Großmutter ging«, sagte Manuel, »da habe ich ihr immer beim Abwaschen geholfen.«
»Aber jetzt bist du ein Mann.« Anghelina nahm ihm das Geschirr aus der Hand. »Ein Mann hilft nicht beim Abwaschen.«
Demetria drehte das Wasser ab, legte den zart gebildeten Kopf zur Seite und sah Manuel an. Sie hatte Augen, wie sie manchmal bei sehr alten Leuten oder bei Säuglingen vorkommen: blinzelnd, weißgerändert und verschwommen. Ihre dünne Stimme krächzte in der Kehle.
»Woher kommst du, mein Sohn?«
»Aus Mexiko«, sagte Manuel.
»Ist das weit von hier?«
Er lächelte.
»Sehr weit.«
Sie zeigte ihr rosa Zahnfleisch.
»Das macht nichts, mein Sohn.«
Ich sah Martin ungeduldig an.
»Nun?«
Er blickte mir fest in die Augen, gekränkt und verwirrt, aber nicht eigentlich schuldbewußt.
»Warum hast du mich verlassen?«
»Hatte ich keinen Grund dazu?«
Er wurde etwas rot.
»Darling, ich möchte nicht, daß du mir böse bist. Ich habe einen Fehler gemacht, und ich weiß, wann es war. Es ist nur so, ich habe viel über dich nachgedacht. Wirklich viel, mehr als an irgend jemanden je zuvor in meinem Leben. Ich weiß nicht, ob dir klar ist, was das bedeutet.«
Er begann sich zu ereifern, sprach die Worte mit einer Emphase aus, die mich in reizbare Stimmung versetzte.
»Nämlich?«
»Daß ich bereit bin, alles zu tolerieren. Wenn ich nur in deiner Nähe sein kann.«
Es war etwas Sonderbares in ihm, diese Mischung aus Sentimentalität und Scheinheiligkeit; ich hatte dafür kein Verständnis. Es stieß mich ab, es empörte mich sogar.
»Ich glaube kaum«, sagte ich kalt, »daß du es bei mir lange aushaken würdest.«
Er preßte sie Lippen zusammen.
»Ich bin nicht in der Lage, mich richtig zu verhalten«, sagte er kehlig.
Ich nahm meine Tasche und stand auf; Manuel sah sofort zu mir herüber. Er hatte darauf gewartet, daß ich aufstand. Ich sagte zu ihm:
»Komm, wir gehen.«
Im selben Augenblick war Martin ebenfalls auf den Beinen.
»Mein Gott! Ist das hier stickig!«
»Ja, es riecht nach Essen.«
Ich reichte Manuel die Hand. Unsere Finger griffen ineinander. Martin bemerkte die Geste; er starrte hinter uns her, bevor er uns mit ein paar raschen Schritten folgte. Als wir an der Tür standen, sagte er:
»Findest du das richtig, daß du jetzt mit ihm weggehst? Die Leute werden sich denken, daß zwischen
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