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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Seite auf die andere, doch er hielt mich fest umfaßt. Sein Gesicht war abwesend und friedlich. Merkwürdig, wie er in manchen Augenblicken so stark sein konnte, und in anderen so kindlich. Ich dachte, wenn ich wirklich etwas gesagt hatte, mußte ich sehr durcheinander gewesen sein. Warum bloß? Nur weil ich mit diesem Mann vögelte – wie man sagt. Das wollte doch nichts heißen. Es lag wohl an ihm, daß ich so geworden war. Er hatte mich in Aufruhr versetzt, das mochte ich nicht. Dabei kam ihm der Gedanke, sich auf irgendeine Weise aufzudrängen oder bei mir einzuschmeicheln, nicht einmal in den Sinn. Er sprach nur mit seinem Körper zu mir, aber sein Körper redete eine deutliche Sprache. Mit weniger Feigheit und ein bißchen mehr Klarsichtigkeit würde ich an die Tiefe, die Größe seiner Gefühle glauben.
    Genug, dachte ich, genug! Ich hatte mich dafür entschieden, nichts zu sehen und nichts zu wissen; ich wollte der Welt der Gedanken entkommen, sie war zu sehr in Unordnung geraten. Ich preßte den Kopf an seine Brust, beschwor dein Bild in mir, mit neuer Deutlichkeit. Dein Schatten tauchte vor mir auf, ich klammerte mich an diese Erscheinung, brachte sie ganz in meinen Besitz. Du bist da, Amadeo, du wirst weiterhin zu meinem Dasein gehören. Ich hatte nicht die Kraft, mich von Manuel zu lösen; aber dein Bild blieb auf meiner Netzhaut bestehen, wie im Fieber. Meine Gedanken gehörten mir nicht mehr, meine Empfindungen zersprühten wie Tropfen.
    Eine lange Stille trat ein. In der Unbewußtheit des Halbschlafes verschmolzen Einbildung und Wirklichkeit, wurden zu einem Traum, verwirrend und berauschend, in dem ich dich liebte und mit ihm verbunden war.
    Am nächsten Morgen, bei Sonnenaufgang, fuhren wir in die Lagune von Santorin ein. Die Passagiere hatten sich an Deck eingefunden, standen fröstelnd im Wind und sahen zu, wie die riesigen Felswände langsam in die Höhe wuchsen. Manuel und ich hatten unsere Anoraks angezogen; der Stoff wölbte sich hinter unserem Rücken. Das brausende Wasser mußte ungeheuer tief sein. Darüber wölbte sich der Himmel, fast dunkelblau, von kristallklarer Härte. Die Luft spiegelte das Wasser hoch, schien es anzuziehen wie ein Magnet.
    Die Inseln kamen näher, und bald ging die Sonne auf. Zuerst färbte sich eine einzelne Felskuppe rot, während die anderen noch im Schatten blieben. Dann sprang das Licht von Klippe zu Klippe. Der Himmel erglühte wie ein bronzefarbenes Schild. Und plötzlich schoß der erste Sonnenstrahl über das Wasser, die See erglänzte im hellen, reinen Licht. Möwen und Seeschwalben wirbelten über dem Schiff.
    Ich erklärte Manuel, wie es zu der seltsamen C-förmigen Inselformation gekommen war, die vor viertausend Jahren ein einziges Land bildete. Im griechischen Altertum wurde sie Kalliste, die Schöne, genannt. Der Vulkan schlief seit über fünfzehntausend Jahren, als das Volk der Minoer auf den Zykladen ihre Städte erbauten. Die Minoer, von geheimnisvoller Herkunft, waren kühne Seefahrer und geniale Baukünstler. Sie führten keine Kriege; ihren Reichtum verdankten sie geschickten Handelsbeziehungen. Durch das plötzliche Erwachen des Vulkans platzte die Insel wie eine Bombe auseinander. Durch aufreißende Spalten kam Meerwasser mit der glühenden Gesteinsschmelze in Kontakt. Der eingestürzte Krater erweiterte sich zu einem Kessel und trennte die heutigen Ringinseln Palea und Nea Kameni von dem ursprünglichen Land.
    Wir blickten auf die nackten Klippen, die tausend Meter tiefer unter dem Wasser wurzelten. Im Schauer eines Feuerregens geboren, als die Welt noch jung war, hüteten sie ihr Geheimnis. Manuel und ich schwiegen; wir waren uns der intensiven schweifenden Kraft bewußt, die über dem Meer lag. Eine unsichtbare, geheimnisvolle Macht wanderte über den Wellen einher. Der Vulkan, vorn Wind aller Zeitalter geschliffen, war noch nicht gestorben, der siedende Kessel barg rotes, wildes Leben in sich; die Fremdartigkeit der Landschaft, das Phantom einer Bedrohung waren stets gegenwärtig. Wir fuhren einem Ort entgegen, in der die Pforte zur Unterwelt noch offenstand, wie eine verborgene Wunde.
    »Findest du das nicht schön, Manuel?«
    Er nickte, nachdenklich lächelnd.
    »Ich sehe, daß es schön ist. Auch wenn ich weiß, daß es schrecklich ist.«
    »Die Schöpfung ist schrecklich«, sagte ich. »Und sie hört niemals auf.«
    Diese Insel war noch im Werden, aus dem Stoff einer geträumten, erst noch kommenden Zeit geschaffen, die vielleicht

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