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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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die Felsen schimmerten in den zarten Tönen von Levkojen. Das Zimmer war geräumig, mit Balken an der Decke; die Wände, weiß getüncht, zeigten schon einige Risse. Die Möbel aus einheimischen Werkstätten waren schlicht, aber aus gutem Holz und sorgfältig poliert. Auf den Betten lagen die gehäkelten Überwürfe mit langen Fransen, die in Griechenland zu jedem Haushalt gehören. Einen Schrank gab es nicht, dafür eine Stange hinter einem Vorhang, an der eine Anzahl Drahtbügel hingen. Daneben eine Dusche mit Toilette, weißgekachelt und sehr sauber. Frische Handtücher hingen bereit. Wir tauschten einen Blick. Ich sagte:
    »Ich denke schon, daß wir es eine Zeitlang hier aushaken können.«
    »Ja, das glaube ich auch«, erwiderte Manuel.
    Noch am gleichen Nachmittag meldete ich mich beim geologischen Institut an, das im Gebäude der Fremdenpolizei untergebracht war.
    Griechische Männer sehen es nahezu als Ehrensache an, Ausländerinnen zu umgarnen. Demzufolge empfing man mich mit ausgesuchten Floskeln und glutvollen Blicken, wobei Manuels Anwesenheit die einheimischen Verführungskünste etwas temperierte. Beamte sind auch nur Menschen.
    Alle trugen dunkle Anzüge; alle führten den schmalen Lippenbart spazieren, der in Griechenland den Beamten vom gewöhnlichen Bürger unterscheidet. Der CNRS hatte mein Kommen angekündigt. Der Leiter der geologischen Abteilung versprach mir jede Unterstützung. Wir mußten einen großformatigen Fragebogen ausfüllen, auf englisch. Dazu waren Paßfotos nötig – die wir in Kenntnis einheimischer Bürokratie vorsorglich dabeihatten. Wonach uns der Beamte ein Empfehlungsschreiben aushändigte, mit Stempeln und Gebührenmarken versehen, die zusätzlich zu bezahlen waren. Zum Schluß wurde, dem ausgefüllten Fragebogen entsprechend, eine Karteikarte für die Archive der Fremdenpolizei angefertigt, eine reine Formsache, wie der Beamte leutselig beteuerte. Als wir das Ganze hinter uns hatten, ging die Sonne unter. Der Himmel schillerte fast grünlich, das Meer leuchtete wie Gold. Der Kontrast zwischen der Größe der Natur und dem Beamteneifer am Kraterrand kam uns wie eine witzige Sache vor. Irgendwie gefiel uns der Gedanke, daß der Vulkan das letzte Wort haben würde.
    »In den vierziger Jahren«, erzählte Manuel, »brach im Staate Michoacán ein Vulkan aus einem Feld. Der Bauer pflügte, als plötzlich Rauch aus dem Acker stieg. Fassungslos beobachtete der Mann die Geburt des Vulkans auf seinem Boden. Er flehte die Erdgottheit an, seinen Besitz zu verschonen, doch die Gottheit verlachte ihn, öffnete knirschend ihren Rachen, aus dem Feuer und Rauch quoll. Der Bauer war mit seinem Esel gekommen. Der Esel zitterte und schrie, als die Erde bebte. Da holte der Bauer die Peitsche und schlug auf die Erde ein. Er peitschte den Boden mit aller Kraft, verwünschte und verfluchte ihn: ›Nutzlose Erde, unfähige Erde, verdammte Erde‹. So schrie der Bauer, bis ihn die Kräfte verließen, die giftigen Dünste ihn zu ersticken drohten. Dann erst ergriff er die Flucht, um sein Leben zu retten und die Behörden zu benachrichtigen. Schon einen Monat später hatte der Vulkan eine Höhe von vierhundert Meter erreicht, die Maisfelder unter der Lava begraben. Der Bauer jedoch hatte die Erde, die ihm seinen Broterwerb genommen hatte, ausgepeitscht und verflucht. Er war ein unbescholtener Mann; er ließ es nicht zu, daß die Gottheit ihn demütigte.«
    Manuel lächelte mich an.
    »Diese Geschichte könnte sich auch in Griechenland zugetragen haben.
    Übrigens hieß der Bauer Dionysio. Ein Zufall, was denn sonst? Oder auch nicht, quien sábe? …«
    Wir saßen im Restaurant der »Pension Lucas«, unter einem purpurgesprenkelten Himmel. Glühbirnen, an Drähten aufgehängt, zogen alle möglichen Insekten an. Wir hatten eine »Pita« bestellt, eine Art Pfannkuchen, mit Spinat und Quark gefüllt, im Ofen gebacken. Dazu einen wunderbar schmackhaften Salat, mit einer besonderen Sorte Weichkäse.
    Georgios hatte uns eine Flasche »Vissanto« empfohlen, einen Inselwein aus schwarzen Trauben, der seltsamerweise nach Pfirsich schmeckte. Bald versetzte uns der Wein in redselige Stimmung. Manuel fing plötzlich an, von sich selbst zu sprechen. Jetzt wurde ich neugierig. Manuels Vater, Rafael, war Architekt. Seine Mutter, Cecilia Huitemea, war die Tochter eines Holzschnitzers. Ihr Vater fertigte Masken für Volksfeste und Umzüge an, ein ebenso seltenes wie geschätztes Gewerbe. Manuel hatte eine ältere

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