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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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ganz andere Formen annehmen oder niemals sein würde.
    Das Schiff drehte leicht, die Sonne beleuchtete das Oberdeck. Das gleißende Wasser blendete. Im Schutz der Sonnenbrille betrachteten wir das Nähern der Insel, die lautlosen Verwandlungen des Lichtes. Der Wind heulte in verschiedenen Tönen, die Brandung gischtete an den Felsen empor. Dort, wo sie ins Meer tauchten, hatten sie eine rostrote oder smaragdgrüne Färbung angenommen, während der obere Teil von Buschwerk überwachsen war.
    Fast zwei Stunden lang fuhren wir an den Klippen vorbei.
    Dann kam Thera in Sicht, auf der dreihundert Meter hohen Steinebene wie ein Storchennest erbaut. Das Städtchen leuchtete vor dem schwarzgrauen Überrest des Vulkans. Aus den zwei kleinen Kratern stiegen Rauchfäden.
    »In der griechischen Antike«, sagte ich, »war der Berg Hephaistos, dem Gott des Eisens, gewidmet. Es hieß, daß der Rauch seiner Schmiede aus dem Gipfel aufstieg.«
    Manuel wandte mir das Gesicht zu.
    »Es ist sonderbar«, antwortete er, scheinbar beziehungslos. »Manchmal führt uns das Schicksal an die richtigen Orte.«
    Der Hafen, vor ein paar Jahren ausgebaut, war ohne malerische Effekthascherei. Ein schmaler Treppenweg – sechshundert flache Stufen –
    führte hinauf in die Ortschaft. Man konnte ihn auf nicht immer geduldigen Mauleseln hinauf- oder hinunterreiten. Für die mit Gepäck beladenen Touristen gab es eine Seilbahn, die – wie ich Manuel schmunzelnd erklärte
    – von einem griechischen Reeder gestiftet worden war. Die Sonne stand glühend am Himmel. Die Lagune war nicht mehr blau, sondern gleißend wie flüssiges Silber. Das Licht stürzte fast senkrecht herab, überzog die vollen Farben mit einem Perlenschleier, der die Augen zu verkleben schien.
    Die Hitze prasselte mit urtümlicher Wucht auf die Klippen nieder. Dafür gab sich der Hauptort weltlich, um nicht zu sagen amerikanisiert. Die frisch getünchten Häuser, die grünen Fensterläden, die weiß oder hellblau leuchtenden Kuppeln der Kapellen erweckten den Eindruck einer Spielzeugstadt. Die Kathedrale funkelte wie ein Zuckerguß. Das Ganze erschien künstlich, plakativ, zu sauber, zu unbeschwert. Die Juweliergeschäfte glitzerten, die Modeboutiquen waren trendy, die Discos funky. Die Musik aus den Tavernen schallte eine Spur zu laut, die Menüs waren in allen Sprachen: von Spezial-Pizza bis Grilled Chicken gab es alles, was den Touristenmagen erfreuen konnte. Ich jedoch hatte früh gelernt, nicht nur meinen Augen und Ohren, sondern auch meinen Empfindungen zu trauen.
    Und meine Gefühle sagten mir etwas anderes, sprachen von Furcht, von Fatalismus und Lebenshunger. Hier wurde gebaut, gefeiert und gekauft.
    Doch mindestens einmal in einem Menschenleben quoll schwarzer Rauch aus den Kratern. Die Erde bebte und knirschte, Glockenstühle schepperten, Häuser stürzten ein. Die Bewohner bargen die Verletzten, trauerten um die Toten. Dann bauten sie ihre Häuser auf, tünchten sie weiß, himmelblau und dottergelb. Sie eröffneten neue Galerien, neue Modeboutiquen und Discos, und wollten an die Zukunft glauben auf einer Insel, deren Kern noch glühte. Alle, die hier geboren waren, trugen dieses Wissen im Blut, mit der Erinnerung an eine planetare Tragödie, und die Angst, daß es wieder geschehen konnte, wieder geschehen würde. Doch die Touristen, die in Scharen durch die engen Straßen wanderten, vom Juwelier zur nächsten Taverna zogen und die Luxusjachten im Hafen betrachteten, hatten kaum anderes im Sinn, als ihre Ferien zu genießen…
    Mein Zimmer befand sich in der »Pension Lucas«. Sie verfügte über ein Terrassenrestaurant und eine Bar, wo es nachts ziemlich laut zuging. Die Besitzer – Stefania und Georgios – begrüßten mich wie eine alte Bekannte.
    Seit meinem letzten Aufenthalt waren beide dicker und reicher geworden.
    Stefania, einst eine schwarzgelockte, vollbusige Schönheit, war jetzt breithüftig und rotblond. In Georgios Krawatte steckte eine goldene Nadel, und sein Lachen glänzte ebenso wie seine polierte Hornbrille. Er hatte uns ein schönes Zimmer reserviert, mit »Extra-Rabatt für Freunde«, wie er augenzwinkernd versicherte. Mein Gepäck war bereits eingetroffen; ferner hatte Georgios dafür gesorgt, daß ich gleich morgen einen Mietwagen hatte. Ich brauchte nur die Papiere zu unterschreiben. Stefania führte uns in das Zimmer, stieß die azurblauen Läden auf. Über der Lagune flimmerte ein Zauberschein, ein Schiff hinterließ eine glitzernde Spur, und

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