Feuerfrau
ein zerkratzter runder Tisch, sechs Stühle, an denen Spinnweben klebten. Staub bedeckte das geschwärzte Messing des Kronleuchters. Die Decke war bemalt mit mythologischen Figuren; irgendein Lokalkünstler hatte vor achtzig Jahren seiner Vorliebe für Putten, Blumengirlanden und Füllhörner freien Lauf gelassen, alle von einer dahinschwindenden Farbe, daß sie bereit schienen, sich in den Mörtel aufzulösen. Als Kind hatten mich diese Figuren entzückt, ich hatte mir den Hals verrenkt, um sie besser zu betrachten.
Hier stand noch Nonnas Schreibsekretär – dunkel mit hellen Einlegearbeiten aus Zitronenholz. Das Möbel verfügte über Dutzende von Kästchen, Nischen, Fächern. Ich strich mit der Hand über ein aufklappbares Plättchen. Sofort erschienen Fingerabdrücke auf der Staubschicht, während sich Nonnas Bild vor meinem inneren Auge formte: Sie sitzt auf dem hochlehnigen Stuhl, kerzengerade; sie führt Buch über Ausgaben und Einnahmen, schreibt Rechnungen, füllt Steuererklärungen aus. Sie studiert Broschüren und Magazine, bestellt den Klempner, den Stellmacher, den Tierarzt, den Schlachter. Mein Großvater hatte ihr nie beigebracht, wie man ein Gut verwaltet. Das war Männersache. Sie hatte bezaubernd gelächelt und alles intensiv beobachtet. Und später, als es nötig wurde, hatte sie genau gewußt, wie man es macht.
Sie kaufte Traktoren und moderne Pflüge. Sie war draußen bei Regen und bei praller Sonne, inspizierte die Obstbäume, ging über die Roggenfelder und prüfte, ob die Ähren bis in die Spitze mit Körnern gefüllt waren. Sie sah zu, wie das Korn geschnitten wurde, stand beim Dreschen daneben, probierte neue Saatgutsorten aus, ließe einen Brunnen graben und schaffte eine elektrische Melkanlage an. Als sie älter wurde und ihre Kräfte nachließen, verkaufte sie einen Großteil der Ländereien, schaffte das Vieh ab und stellte einen Verwalter an, der den Betrieb allein leitete.
Sie wollte nicht, daß mein Vater das Gut übernahm. Er sei nicht dafür gemacht, meinte sie, und schickte ihn zum Studium nach Milano.
Ja, den Sekretär wollte ich haben. Und vielleicht auch das zerschlissene Sofa mit den Fransen und Perlen und die zwei Sesselchen zu beiden Seiten.
Sie waren mit Erinnerungen an friedliche Abende, an das Schachspiel mit Nonna, an das genau abgegrenzte Licht der Lampenschirme verbunden.
Natürlich würde Carmilla diese Sachen hassen. In Casa Monte war sie stets schlecht gelaunt gewesen, hatte sich über die Hitze beklagt, über die Mücken, den Kuh- und Schweinegestank. Urlaub auf dem Land hatte sie nie gemocht. Sie träumte von Badeferien auf Ibiza.
Das Geländer quietschte, als ich die Treppe hinaufging. Casa Monte erkannte mich, hieß mich willkommen. Ich lächelte traurig. Häuser sind wie Menschen; sie können lieben, ablehnen und sogar hassen. Ihre Mauern reden, flüstern, erzählen Geschichten. Sie beklagen sich: »Warum bist du so lange fortgewesen? Wann kommst du wieder?«
Im oberen Stockwerk lagen die Schlafzimmer. Hier war Großvaters Arbeitszimmer gewesen, mit Blick auf die Straße. Möbel waren kaum noch vorhanden. Die verlassenen Räume hatten kein bestimmtes Aussehen mehr, rochen nach Gips und Staub. Die Fenstertüren zur Loggia waren mit Spinnweben versiegelt. In dem Zimmer meiner Eltern stand noch das große Bett, das »Letto matrimoniale«. Die zusammengerollten Matratzen rochen muffig. Am Kopfende war die Stelle sichtbar, wo früher das Kruzifix mit dem Ölzweig hing. Auf der Marmorplatte des Nachttisches stand ein Aschenbecher mit etwas Asche, und im Papierkorb steckte eine vergilbte Zeitung. Ich zog sie heraus, glättete das zerknüllte Papier mit der Handfläche. Das Datum war vom vergangenen Oktober. Mein Vater mußte hier mit einer Frau übernachtet haben.
Im Badezimmer war das Waschbecken zersprungen, der Spiegel geschwärzt, die Wanne verrostet. Im Seifenbehälter lag ein vertrocknetes Stück Seife. Als ich den Hahn aufdrehte, gurgelten und zischten die Rohre, sämtliche Leitungen schienen zu beben, bevor ein bräunlicher Wasserstrahl aus dem Hahn schoß und durch den Staub in den Ausguß floß. In der Toilette war die altmodische Schüssel vergilbt, der Deckel hing schief. Ich zog die Spülung; einige Tropfen fielen, das war alles. Ich ging hinaus.
In meinem Zimmer war nichts, außer Erinnerungen und dem offenen Wandschrank. Die Regale waren früher mit Papier bezogen gewesen, das ein Muster von Levkojen zeigte. Ein paar vergilbte Fetzen hingen
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