Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
weit aufstieß. Ich fuhr den Wagen in den Hof und machte das Tor wieder zu. Ich wollte niemanden sehen, auch Lina nicht.
    Alles war still; ich hörte nur meinen Atem und das Knirschen des Kieses unter den Schuhsohlen. Neben der Scheune stand die Edelkastanie, deren stachelige »Igel« im Herbst zu Boden fielen und die glänzendbraunen Marroni freigaben. Der Baum war gewachsen und überragte jetzt das Dach.
    Ich sah in die Zweige und in den Himmel hinauf, verfolgte das Lichtspiel in den grüngoldenen Blättern. Einige Wildtauben flatterten und gurrten. Es war ein Geräusch von früher, schmerzlich vertraut. Auf der anderen Seite lag der ehemalige Kuhstall. Jeden Abend brachte Davide, der alte, glatzköpfige Knecht, die Tiere von der Weide zurück, während er mit klangvollem Baß rührselige Liebeslieder schmetterte. Neben Kühen und Pferden hielten wir Schweine, Kaninchen, Enten, Gänse und Truthähne.
    Hinter dem Hof, von drei Mauern und einer Seite des Hauses umschlossen, lag der Gemüsegarten. Niemand kümmerte sich um die Beete, Lina war zu alt dazu. Die Pflanzen wucherten wild und dicht beieinander, ich roch die Süße der Minze und den warmen Duft blühender Kräuter. An der Mauer wuchs ein uralter Pfirsichbaum, der schon damals nur kleine, gelbe Früchte trug. Als Kind kletterte ich hinauf, setzte mich dorthin, wo ich die Beine bequem über die Astgabel schlagen konnte. Da saß ich stundenlang und erzählte mir Geschichten. Jetzt merkte ich, daß der knorrige Stamm beinahe bis auf den Grund verfault war.
    Das Haus war eine »Casa Patronale«, ein Herrenhaus. Mein Großvater Luigi Fornari besaß Maulbeerbaumhaine, Früchteplantagen und zwölf Hektar Land: Mais, Korn und Roggen. Dazu gehörten früher Behausungen für die Arbeiter, eine Getreidemühle, ein steinerner Backofen. Einmal in der Woche, wenn er geheizt wurde, kamen die Nachbarsfrauen mit ihrem frisch gekneteten Brotteig, den sie mit einer großen Eisenschaufel in den Ofen schoben.
    Weit hinter dem Gemüsegarten lag der Misthaufen. Als ich ein Kind war, fuhren die Arbeiter den Mist mit Pferd und Wagen auf die Felder, verteilten ihn mit Gabeln, streuten Kunstdünger mit der Hand über die Äcker. Später kaufte Nonna Maschinen. Meine Urgroßeltern züchteten Seidenraupen; auch Nonna hatte noch einige Gestelle im Speicher, an denen die netzartigen Geflechte, bedeckt mit Seidenraupen, hingen. Das leise, ununterbrochene Nagen und Rascheln hatte ich jetzt noch in den Ohren. So klingt es, wenn Regen auf dürre Blätter fällt. Es war ein schönes, natürliches Geräusch. Als ich zum Haus ging, fegte ein donnernder Knall über das Dach hinweg. Ein Jagdflugzeug bohrte sich in den Himmel.
    Aviano, der NATO-Stützpunkt, lag unten im Tal, knapp zwanzig Kilometer weiter, in Luftlinie.
    Ich ging die Steinstufen hinauf. Jetzt der zweite Schlüssel. Das Schloß war gut geölt und sprang sofort auf. Ich drückte auf die Klinke. Die Tür klemmte, ich mußte sie etwas anheben, bis sie sich öffnete. Muffige Kühle schlug mir entgegen. Im Haus war es stockfinster. Sämtliche Fensterläden waren geschlossen. Meine tastenden Hände fanden den Schalter. Trübes Licht flammte auf. Schatten regten sich, der Kronleuchter mit seinem Glasgehänge trat aus der Dunkelheit hervor wie eine Erscheinung. Alles war eigentümlich still. Ich dachte an die große Wanduhr im Treppenhaus, an das Ticken und Schlagen und Läuten. Wenn sie stockte, zog man sie an einer rasselnden Kette auf. Die Uhr war jetzt weg, und an den Wänden blätterte der Gips ab. Treppen und Fußboden waren aus rotem Marmor, das Geländer aus schwerem Holz. Rechts lag das Eßzimmer, daneben der
    »Soggiorno« – die gute Stube. Auf der anderen Seite befand sich die Küche. Der Greifhaken für den Polentakessel hing noch an einer Eisenkette an der Decke. Die offene Feuerstelle war in den fünfziger Jahren durch einen riesigen, weißgekachelten Herd ersetzt worden. In meiner Erinnerung sah ich Maria Holzscheite aus der Kiste nachlegen, den Schürhaken betätigen, die Eisenringe aufs Feuer ziehen. Früher hingen Töpfe und Pfannen jeder Größe an der Wand. Jetzt stand nur noch ein kupferner Wasserkessel auf einem elektrischen Schnellkocher. Im Anrichteschrank erblickte ich einige Tassen und Teller aus Steingut, eine Dose Pulverkaffee, Zucker und Kondensmilch. Im Eßzimmer lagen zusammengerollte Teppiche und verbeulte Lampenschirme. Ein Geschirrschrank aus dem 18.
    Jahrhundert, überdimensional wie die meisten Möbel,

Weitere Kostenlose Bücher