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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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bevor ich nach Griechenland ging. Sie war spätabends fertig, am nächsten Tag ging mein Flugzeug. Ich nannte sie Guatemoc.«
    »Was bedeutet dieser Name, Manuel?«
    »Der herabstoßende Adler. So hieß der letzte Aztekenkaiser. Er wurde mit achtzehn Jahren gekrönt, mit zwanzig von Hernando Cortez ermordet.
    Eine typisch mexikanische Geschichte, voller Heldentum, Mord und Leidenschaft. Aber die Figur hat auch als Gebrauchsmodell Gültigkeit. Für meine Seelenzustände, meine ich.«
    Er warf mir einen funkelnden Blick zu.
    »Seltsame Sache, nicht wahr? Mein Großvater würde sagen: Deine Hände wissen, was deine Augen erst später sehen.«
    »Mir scheint, seitdem du in Europa lebst, bist du erst richtig mexikanisch geworden.«
    Er nickte nachdenklich.
    »Komisch, daß man diese Dinge erst merkt, wenn sie einem gesagt werden. Wahrscheinlich ist man persönlich weniger in der Lage, sie zu sehen. Ja, du hast recht. Die Bilder sind schon lange in mir, aber sie kommen erst jetzt an die Oberfläche. Indios wissen zu spielen. Mit dem Gestern, mit dem Heute, mit der Zukunft. Unser Denken ist luftig und unstabil, und wir sehen Geister am hellichten Tag. Aber weil diese Dinge aus der Tiefe kommen, fürchten wir uns davor.«
    »Du doch nicht.«
    »Und du auch nicht!«
    Ich lachte kurz auf.
    »Ich habe geschlafen, als man mich die Bibel lehrte. Splitter und Fragmente sind geblieben, mit denen ich – so, wie sie heute ausgelegt werden – nichts anfangen kann. Ich habe mich auch nicht sehr ernstlich damit befaßt; andere Dinge waren mir wichtiger.«
    »Man sollte immer das tun, was man tun möchte«, sagte er, »solange es niemandem schadet. Eine einfache moralische Grundregel, aber dabei bricht die Welt aus den Fugen.«
    »Meinetwegen.«
    »Meinetwegen auch. Komm!«
    Er stellte das Gefäß an seinen Platz, löschte das Licht und führte mich wieder in das Atelier.
    »Setz dich!«
    Er deutete auf das Klappbett. Ich setzte mich, während er mit einigen Gefäßen hantierte.
    »Mein Vater wollte sehen, wie ich arbeite, da habe ich roten Ton eingeweicht, verrührt und gesiebt. Jetzt ist er knetreif.«
    Er prüfte die Festigkeit der Masse, goß sie auf eine Holzplatte und wartete, bis sie antrocknete. Dann rollte er den Tonklumpen aus, klopfte ihn flach und begann mit dem Kneten und Schlagen, bis die Tonmasse eine gleichmäßige Konsistenz hatte. Er arbeitete still und konzentriert, wobei seine gelenkigen und doch so kräftigen Hände den Ton mit abwärtsdrückenden Bewegungen wie Teig walkten. Dabei preßten seine Handballen den Ton platt; manchmal hob er ihn am hinteren Ende auf, zog ihn nach vorn, so daß er aufrecht stand, und wiederholte diesen Vorgang gut zehnmal, in einem ganz besonderen Rhythmus. Hier und da schob er die Masse mit kräftigen Bewegungen, um harte Tonstückchen zu entfernen oder mit einem Schneidedraht abzuziehen. Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren; wie ein fasziniertes Kind starrte ich auf den Tonklumpen, der unter Manuels Händen lebendig wurde, seine Form veränderte. Immer wieder stellte er die Masse hoch, preßte sie abwärts, drückte und rollte sie flach, ein ununterbrochener, fließender Bewegungsablauf. Von Zeit zu Zeit hob er die Augen, lächelte mir zu. Endlich hatte die Tonmasse die gewünschte Plastizität erreicht. Manuel sagte:
    »Leider ist der Ton noch frisch. Wenn man ihn lagert, wird er dehnbarer. Beim nächsten Mal werde ich besser modellieren können.«
    Er nahm eine Tonkugel, legte sie in die Hand und begann, langsam mit Daumen und Fingern die Masse zu formen, wobei er mich immer wieder ansah.
    »Was machst du?« fragte ich.
    »Dich«, sagte er. »Hast du etwas dagegen?«
    Ich schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Mach nur weiter.«
    Er fuhr fort zu arbeiten, in einer Art tiefer, absolut gelassener Konzentration. Eine seltsame Freude, und gleichsam ein tiefer Frieden, prägten sein Antlitz. Versonnen erfaßte ich seine ganze Erscheinung, das leichte Lächeln, das seine Lippen umspielte, den weichen braunen Hals, das geschmeidige Haar, die schlanken, muskulösen Arme und diese so besonders geformten Hände, erdverbunden wie die eines Bauern und gleichsam vom Geist durchdrungen.
    »Kannst du noch stillhalten?«
    »Ich habe viel Geduld, das weißt du doch.«
    Er nickte, arbeitete weiter. Seine Augen waren glänzend schwarz, und manchmal blickten sie ganz schnell zu mir hin, dann aber sogleich wieder zurück. Und während seine Finger mein Angesicht formten, hatte ich ein ganz eigentümliches

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