Feuerfrau
niemand kann mich daran hindern, auf diesem Weg weiterzugehen.«
»Und letzten Endes wird der Abstand zu groß«, sagte Manuel.
»Glaubst du, das macht mir etwas aus?«
»Man muß die Dinge immer von der besten Seite nehmen.«
»Das ist nicht schwer. Ich habe eine Vorliebe für das Absurde. Und wenig Respekt vor der menschlichen Rasse. Der Wolf wechselt seine Haut während des Schlafes nicht. Der Mensch wechselt seine Meinung von einem Atemzug zum anderen. Und hat dabei immer nur seinen Vorteil im Kopf. Er redet auch zuviel.«
»Und oft nur mit der Zunge.«
Das flüchtige Lächeln glitt erneut über Amadeos Gesicht. Dann wurden seine Züge wieder finster und starr. Es war ihm etwas in den Sinn gekommen.
»Topsy ist nicht mehr«, sagte er zu mir. »Sie hat den Sommer nicht überlebt.«
Ein Hauch von Schmerz durchzuckte mich.
»Hast du sie gut beerdigt?«
»Im Tannenwald, unter einer braunen Nadeldecke.«
Er wandte sich Manuel zu.
»Ob du es glaubst oder nicht, wir sprechen von einer Ratte. Sie war seit zwanzig Jahren meine Gefährtin. Ratten sind wie Hunde. Sie spüren die Liebe. Warum wissen es die anderen nicht, diese Idioten?«
Manuel zuckte mit den Schultern.
»Weil sie es noch entdecken müssen.«
»Wir wollen trinken«, sagte Amadeo.
Motorengeräusch ertönte. Im Hof hielt ein Wagen. Djali und Matteo, die Gitarrenspieler, traten ins Haus. Beide trugen rote Hemden, weißgetupft, und schwarze Stiefel mit Absätzen. Ich stellte Manuel vor, den sie auf spanisch begrüßten. Auch Jean war da, in schwarzen Lederhosen und Perfekto-Jacke. Ich starrte ihn erschrocken an. Von der Schläfe bis zum Kiefer lief eine Narbe wie ein schmaler dunkelroter Schnitt; sein Gesicht mit den hohen Backenknochen wurde dadurch nicht entstellt, es wirkte nur seltsam asymmetrisch.
»Jean! Was ist passiert?«
Er lachte fröhlich.
»Ich bin auf die Fresse geknallt. Mit einem Motorrad, bei Außenaufnahmen in Nizza. Das Arschloch von einem Regieassistenten hatte vergessen, eine Öllache zu entfernen.«
»Er lag drei Tage lang im Krankenhaus!« fuhr Lola dazwischen. »Mit einer Gehirnerschütterung. Und in seiner Wange steckte ein Glassplitter.
Jetzt sieht ihn keine Frau mehr an. Das zur Strafe, weil er auf seine alte Mutter nicht hören wollte.«
»Aber nicht doch, im Gegenteil«, widersprach er gut gelaunt. »Ich habe mich zu meinem Vorteil verändert. Alle finden, die Narbe steht mir gut.
Deswegen habe ich auch die Rolle bekommen.«
»Welche Rolle?« fragte ich.
»Wir filmen für das Programm TR 2. Ich habe Probeaufnahmen gemacht und bin beim Casting dabei. Ich spiele einen Polizisten«, setzte er stolz hinzu.
Ich lachte, bis mir die Luft ausging, und Lola seufzte aufgebracht.
»Ich sage dir, Pitchounette, der Junge ist bescheuert. Seinen Cousin Virgil steckten sie zweimal in den Knast. Er hatte keinen Ausweis bei sich
– el pobrecito! – und war unschuldig wie ein neugeborenes Osterlamm!«
Ein paar Männer trabten zu Pferd in den Hof, führten die Tiere unter das Schutzdach. Es waren Boumians, sehnig, muskulös und tiefgebräunt. Zwei waren in der Tracht der Gardians gekleidet: enge Hosen mit aufgesteppten Nähten, buntes Hemd, ein weicher, breitkrempiger Hut. Alle hatten ein dreieckig gefaltetes Tuch um den Hals, zum Schutz vor den Insekten.
Keiner trug Sporen an den Stiefeln. Die Gardians sorgten zuerst für die Pferde. Sie nahmen ihnen den Sattel ab, gaben ihnen zu trinken und Hafer in die Krippen. Erst dann gingen sie nacheinander ins Haus, wobei sie den Hut abnahmen. Sie rochen nach Sand, Schweiß und alten Kleidern. Es waren Boumians vom Plan de Grasse, schon lange seßhaft geworden. Wir kannten uns schon seit Jahren: Das Wiedersehen war wortreich und herzlich. Als letzter kam Constantin, ein älterer Mann, dessen Gesichtshaut wie poliertes Leder glänzte und im eindrucksvollen Kontrast zu seinem weißen Haar stand. Er war klein und gedrungen, mit breitem Oberkörper und krummen Beinen. Er kaute an einer Zigarre. Ich stellte ihm Manuel vor, dem der alte Mann kräftig die Hand schüttelte.
»Constantin ist der Baile – der Verwalter«, sagte ich. »Er leitet das Gut in Amadeos Abwesenheit. Er kümmert sich um die Pferde wie um seine eigenen Kinder.«
»Wobei mir die Pferde weniger Mühe machen«, knurrte Constantin. Er musterte mich und sagte streng:
»Mädchen, du bist dünner geworden.«
Ich verzog das Gesicht.
»Findest du, Constantin?«
»Schlimm, schlimm!« brummte der Alte. »Du mußt mehr
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